■ Normalzeit
: Die Revolte von oben anzetteln

Im Prenzlauer Berg ist vieles anders. Dort kandidiert z.B. der altgrüne Aktivist der ältesten Ostberliner Bürgerinitiative in der Oderberger Straße, Bernd Holtfreter, für die PDS. Bündnis 90 war ihm mit unsittlichen Karriereangeboten allzusehr auf den Sack gegangen. Dazu muß man wissen, daß sich schon zu DDR-Zeiten die SED-Genossen aus dem Wohnbezirksausschuß stets schützend vor seine Oderberger-Aktivitäten stellten. Andersherum unterstützt nun das Bündnis 90 den PDS-Wirtschaftsstadtrat Robert Scholz. Dieser zog im April öffentlich die Besetzung leerstehender Häuser in Erwägung, woraufhin die SPD- Fraktion seine Abwahl verlangt hatte.

Auch in anderen PDS-starken Bezirken ist die SPD primär damit beschäftigt, die Gysi-Truppe Rat für Rat rauszukanten. So z.B. in Marzahn, wo Jugend- und Sozialstadträtin Margrit Barth erst vom SPD-Bürgermeister wegen IM-Verdacht zwangsbeurlaubt wurde und jetzt, nach Wiedereinstellung aufgrund eines Arbeitsgerichtsurteils, einen SPD-Abwahlantrag nach dem anderen über sich ergehen lassen muß.

Im Prenzlauer Berg kamen erst einmal die Walpurgisnacht- Krawalle auf dem Kollwitzplatz dazwischen. Anschließend realisierten die Bündnisgrünen, daß ihre Basis nicht nur in Form der Oderberger-Initiative mehr und mehr den Roten zugeneigt ist. Schon bei der Bundestagswahl gab es dort den Versuch, eine „Autonome PDS-Wählerinitiative“ zu gründen. Und vielen Freunden des Neuen Forums – im Basisdruck-Verlag, bei der Umweltbibliothek, im „Torpedokäfer“ und in der „Kommandantur“ etwa – ist selbst die PDS nicht rätekommunistisch genug. Immerhin wollen diese am 24.5. mit ihrer Stimmenthaltung bei der Abwahl von Stadtrat Scholz den SPD-Antrag sauber abbarzeln. Dessen keckes Besetzer-Plädoyer gab jedoch der Basisdruck- Kritik an der PDS noch einmal recht: Das Bewußtsein, daß Wohnraum nicht leer stehen darf, muß sich erst im Viertel ausbreiten, bis dahin, daß die potentiellen Besetzer Druck mit Aktionen machen. Erst dann können PDS und Grüne gegen den Leerstand polemisieren, und auch dann erst kippt die SPD populistisch um. Daraufhin wird man sich schließlich nach etlichen Besetzungen auf eine mittlere Verhandlungs-, d.h. Mietvertrags-Linie einigen, bei der wiederum die Hausbesetzer-Szene gespalten wird – in Immobilien-Verhandler und Mobil- Ideologen.

Bis zum Jahresende werden alleine an Büroflächen eine Million Quadratmeter leer stehen! Da könnte man zukünftig höchstens die Vergabe öffentlicher Gelder davon abhängig machen, daß hernach die fertigen Dienstleistungs- Center zügig vermietet werden – notfalls auch für zwei DM Warmmiete (wie im Ural). Bei der immer mehr um sich greifenden Praxis, so z.B. von der Concordia AG, nur den Rohbau zu errichten und dann auf den Regierungsumzug zu warten, ließe sich eventuell mit einer Abrißgenehmigung was machen, denn die Bauanträge wurden ja für ein fertiges Haus und nicht für eine temporäre Invest-Ruine genehmigt.

Um an die schon fertigen Gewerberäume heranzukommen, als Künstler z.B. (und wer ist das nicht?), bedarf es jedoch jenseits von Politik, Juristerei und WG- Squattern einer neuen Bewegung von militanten Existenz-Besetzern bzw. PC-bewehrten Büro- Stürmern! Die Berliner Industrie unterstützt so etwas zwar nach besten Kräften, indem sie sich Auftrag für Auftrag in böhmische Dörfer bzw. an den Mekong absetzt, aber das reicht nicht. Deswegen wird es noch eine Weile dauern, bis man – wie in London – die Parole ausgeben kann: „Squat now, while stock lasts!“ Helmut Höge