■ Herrschaftssicherung
: Neue Ziele, bewährte Methoden

Vom Fieber des Wandels und der Umwandlung, das nach 1989 auch die osteuropäischen Geheimdienste erfaßte, ist nichts mehr zu spüren. Es sind die Alltagssorgen, die die Menschen beschäftigen – das Schicksal der Berufsgeheimdienstler und ihrer Informanten hat sich längst geregelt. Sie fanden ihren Platz in neuen Geheimdiensten oder ziehen inzwischen bei der Informationsbeschaffung für die Privatwirtschaft Nutzen aus ihrer „Erfahrung“.

In den Ländern Osteuropas waren die Geheimdienste ganz besonders verhaßt. Trotzdem wurden ihre Nachfolger überall schnell und mit Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit installiert. Nirgendwo fand in den letzten fünf Jahren eine ernsthafte Diskussion darüber statt, ob – nicht zuletzt angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage – überhaupt ein Bedarf an geheimen Strukturen besteht, deren Aufgaben auch von existierende Institutionen (Innen-, Außenministerium und so weiter) übernommen werden könnten.

Dennoch zeichnen sich mittlerweile zwei unterschiedliche Perspektiven ab: Die mittelosteuropäischen Länder (Polen, Tschechien, Ungarn) haben in der letzten Zeit die Haushalte ihrer Geheimdienste beschnitten und frühere Ressorts umgruppiert. In den anderen osteuropäischen Ländern (Ukraine, Rumänien, Bulgarien, tendenziell auch in der Slowakei) dienen die Geheimdienste unverhüllt der Herrschaftssicherung und parteipolitischen Zielen. Sie erheben überdies Anspruch auf den Schutz einer nationalistischen Staatsräson.

In Mittelosteuropa wird versucht, frühere Strukturen internationalen Institutionen anzupassen und eine Art „nordatlantische“ Zusammenarbeit angestrebt. In den anderen Ländern hingegen, etwa in jenen, die kaum über eine demokratische Tradition verfügen, verlangt die Gesellschaft nur bedingt, daß der Einfluß der „vererbten“ Geheimdienste zurückgedrängt wird. Sie ist durchaus gewillt, bei einer Tätigkeit mitzuwirken, bei der es gilt, eine angebliche Gefahr durch Ausländer und Minderheiten abzuwehren. Und deshalb nimmt ein großer Teil der Bevölkerung dieser Länder es auch hin, wenn Geheimdienste demokratische Spielregeln verletzen und verfassungsmäßig garantierte Freiheitsrechte in kleinerem oder größerem Maße einschränken. Attila Ara-Kovács

Der Autor arbeitet als freier Journalist in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Er widmet sich vorrangig den Geheimdiensten in den Ländern Osteuropas