In Banja Luka steht keine Moschee mehr

In der von bosnischen Serben beherrschten Stadt geht die Vertreibung von Muslimen und Kroaten weiter / Wer nicht freiwillig geht, wird oft zu Zwangsarbeit an der Front gezwungen  ■ Aus Banja Luka Paul Hockenos

Auf der von Bäumen eingesäumten Straße, die den Namen König Peters des Ersten trägt, liegen Hunde auf einem von Steinen übersäten Gelände in der Sonne. Die herrenlosen Tiere gehörten einst muslimischen und kroatischen Einwohnern von Banja Luka, ehe diese aus der nordbosnischen Stadt flohen, der größten unter Kontrolle der bosnischen Serben. Die Hunde liegen dort, wo früher die 400 Jahre alte Ferhad- Pascha-Moschee stand, ehe serbische Extremisten sie vor zwei Jahren sprengten.

Die Zerstörung von Moscheen und katholischen Kirchen ist Teil der Kampagne „ethnischer Säuberungen“, im Zuge derer fast die ganze muslimische und kroatische Bevölkerung aus der Region vertrieben wurde. Die elegante Ferhad-Pascha-Moschee war eine von sechzehn islamischen Gotteshäusern, ehe vor drei Jahren der Krieg ausbrach. Heute gibt es in dem serbisch kontrollierten Teil Bosniens keine einzige Moschee mehr.

Passanten werfen einen verlegenen Blick auf die freie Fläche. „Wir hörten die Explosion in der ganzen Stadt“, sagt Ljubica*, eine Französischlehrerin, in Erinnerung an jene Nacht am 6. Mai 1993. „Die Fenster in der ganzen Nachbarschaft sind zu Bruch gegangen.“

Vor dem Krieg lebten in Banja Luka 190.000 Menschen, von denen etwa die eine Hälfte Serben, die andere Muslime und Kroaten waren. Wie ganz Nordbosnien ist die Stadt heute fast rein serbisch. Nur noch rund 15.000 Muslime und Kroaten sind hiergeblieben, jeden Monat werden es weniger.

Die Vertreibungen in Nordbosnien gehen weiter, wenn sie auch eine andere Form annehmen als in den Jahren 1992/1993. Damals wurden Muslime und Kroaten aus ihren Arbeitsverhältnissen entlassen, zusammengeschlagen, mit dem Gewehr im Anschlag aus ihren Häusern getrieben und getötet. „Heute gibt es weniger physische Gewalt“, sagt Vladimir Curko, der Leiter des UN-Flüchtlingsprogramms in Nordbosnien. „Der auf die Minderheiten ausgeübte Druck zu gehen, nimmt nun weichere Formen an, ist aber nicht weniger effektiv.“ So werden Muslime und Kroaten beispielsweise zur Zwangsarbeit an die Front geschickt. „Die meisten Zivilisten wollen lieber das Land verlassen, als auf diese Weise ihr Leben zu riskieren, und die Behörden wissen das“, erläutert Curko.

Doch nicht alle können die Stadt wirklich verlassen. Auf einem Straßenmarkt erzählen Roma-Frauen, die bereits vor einer Woche gehen wollten, daß die Behörden die Grenze geschlossen haben, nachdem die Kämpfe in Westslawonien ausbrachen.

Eine beklemmende Ruhe liegt nach der erfolgreichen kroatischen Offensive in Westslawonien über Banja Luka, das sich etwa 50 Kilometer weiter südlich befindet. An jeder Straßenkreuzung stehen schwerbewaffnete Polizisten. In den Tagen nach der Offensive wurden vier weitere katholische Kirchen gesprengt — dabei kamen zwei Menschen ums Leben — und in das Büro der Hilfsorganisation Caritas ein Sprengsatz geworfen. Äußerlich wirkt Banja Luka dort, wo keine Kämpfe stattgefunden haben, blühend und optimistisch. Aus den zahlreichen Gartencafés klingen lebhafte Stimmen, und aus den Discos dröhnt die Musik bis vier Uhr morgens.

Am Ufer des Flusses Vrbas liegen die weißgrauen Ruinen gesprengter Moscheen. „Wir Alten, wir sind die einzigen Muslime, die noch hier sind“, sagt eine verhutzelte Bäuerin, die mit einer Bekannten in einem kleinen Garten arbeitet. „Meine Söhne, Enkel und jetzt auch Großenkel sind in Schweden, Kroatien und Kanada. Ich werde hier sterben — auf die eine oder andere Weise.“

Heute gebe es weniger „Probleme“ als früher, sagt sie. So würde die Polizei schneller reagieren, wenn Häuser beschossen würden. Während sie noch redet, fährt ein blonder junger Mann in einem Pferdekarren vorbei. „Pst“, sagt die Bäuerin, „es gibt nichts, was diese jungen Leute aus dem Dorf nicht machen würden.“

Die Serben in Banja Luka zeigen wenig Reue über das, was in ihrer Stadt passierte. „Niemand wollte, daß dies geschieht“, sagt die 29jährige Maria, Mutter zweier Kinder. „Die Muslime waren ein Teil Banja Lukas.“ Aber warum, fragt sie, habe es sechzehn Moscheen und nur eine orthodoxe Kirche gegeben? „Es war nicht richtig, alle zu sprengen“, meint sie, „aber vielleicht waren sechzehn zu viele.“

Serben und andere Bewohner der Stadt konstatieren in jüngster Zeit einen deutlichen Stimmungswandel. Die nationalistische Euphorie, die die bosnischen Serben bei Kriegsausbruch erfaßte, hat nachgelassen. „Früher wurde jedes Wort gegen Karadžić für verräterisch gehalten“, erklärt Ljubica. „Heute verflucht jeder Karadžić und den Krieg. Aber sie kritisieren nur die Korruption und den Warenmangel, nicht seine politischen Ziele. Die Leute hier wollen in ihrem Großserbien in Ruhe und Frieden leben.“

* Name von der Redaktion geändert