: Wellenreitende Hexen
■ "Zeitpunkte", das frauenpolitische Magazin des SFB, darf weitersenden wie bisher / Rettung durch HörerInnenprotest
Eine gute Nachricht und ein Beispiel, daß Proteste etwas nützen: „Zeitpunkte“, das frauenpolitische Magazin des Senders Freies Berlin, bleibt als Mittagssendung in der bisherigen Form erhalten. Die Redaktion, die erst jüngst, im März, mit dem Journalistenpreis „Die Hexe“ ausgezeichnet worden war, darf weiter täglich eine Stunde lang auf der Radiowelle SFB 3 reiten.
Der SFB-Programmdirektor Jens Wendland und der Wellen-Chef Wilhelm Matejka hatten Berlins einzige feministische Rundfunksendung im letzten Jahr zunächst ganz abwickeln wollen. Ein Aufschrei ging durch die keineswegs ausschließlich weibliche Fan-Gemeinde, Prominente von Leonie Ossowski über Edith Clever, Jutta Lampe und Helke Sander bis zu Steffi Spira drohten sogar mit einem Boykott der Rundfunkgebühren. Auch die drei SPD-Senatorinnen Ingrid Stahmer, Christine Bergmann und Lore Maria Peschel- Gutzeit machten sich für den Erhalt der Sendung stark.
Die SFB-Chefs mußten sich etwas anderes einfallen lassen, um die bei ihnen so unbeliebte Sendung loszuwerden. Der Sendeplatz von 12.05 bis 13.00 Uhr sei viel zu wertvoll für ein Magazin „mit spezifischem Zugriff“, ließen die Herren im letzten November verlauten. Die „Zeitpunkte“ müßten zugunsten einer mittäglichen „Talkrunde“ weichen und in die Abendstunden verlegt werden, sobald das „Inforadio“ unter gemeinsamer Regie des SFB und des ORB ab 1. April starte. Wellen-Chef Matejka schlug zu allem Überfluß vor, die bei den HörerInnen ebenfalls sehr beliebte, weil eigenwillige Musik zwischen den Wortbeiträgen zu streichen und die Sendung auf 25 Minuten zusammenzuquetschen. Die Redakteurinnen und die HörerInnen protestierten erneut: Das komme einer schleichenden Abschaffung des Magazins gleich, denn die Einschaltquote beim SFB tendiere am Abend gegen null.
Nunmehr schreiben wir Ende Mai, das Inforadio existiert immer noch nicht, und einen Zusammenhang zwischen Inforadio und „Zeitpunkte“ kann SFB-Pressesprecher Henric Lewkowitz auch „überhaupt nicht sehen“. Sendeplatz und Umfang des frauenpolitischen Magazins sollen auf absehbare Zeit in der jetzigen Form erhalten bleiben, bestätigte er der taz. Es sei zwar möglich, daß die Zusammenlegung von SFB und ORB irgendwann Programmänderungen nötig mache, aber die Gespräche darüber seien erst „im Frühstadium“.
Die Redaktion der „Zeitpunkte“ wähnt sich zwar noch nicht völlig sicher vor neuen Angriffen aus dem Hinterhalt, freut sich aber dennoch über die Entwicklung. Schleichend abgewickelt wurde nicht ihre Sendung, sondern die Planung der SFB-Chefs. Ute Scheub
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