Prags Regierung ist endlich aufgewacht

Zwölf rassistisch motivierte Morde gab es seit der Revolution 1989 in Tschechien, nun hat die Regierung ein schärferes Vorgehen gegen rechtsextremistische Gewalttäter angekündigt  ■ Aus Prag Katrin Bock

Lange genug hat es gedauert: 450 rassistische Übergriffe registrierte das Innenministerium der Tschechischen Republik zwischen Januar 1993 und Juni 1994. Nun hat Premierminister Václav Klaus ein schärferes Vorgehen gegen rechtsextremistische Gewalttäter angekündigt. Anlaß für eine Sondersitzung der Regierung in der vergangenen Woche war die Ermordung eines 42jährigen Rom im südmährischen Ždár nad Sazavou. Vier jugendliche Skinheads, die in die Wohnung der siebenköpfigen Familie eingedrungen waren, hatten ihn ohne jeglichen Grund erschlagen. Mit diesem Mord hätten die rechtsextremistisch beziehungsweise rassistisch motivierten Gewalttaten in Tschechien eine neue Dimension erreicht, erläuterte Klaus seine Reaktion auf das Verbrechen.

Worin jedoch diese neue „Dimension“ bestand, die die Regierung nun zu ihrer überraschenden Reaktion veranlaßte, wurde nicht klar. Schließlich sind seit der samtenen Revolution 1989 bei rassistisch motivierten Überfällen mindestens zwölf Menschen, unter ihnen elf Roma, getötet worden. Erstes Opfer war 1990 ein türkischer Lkw-Fahrer in Pilsen, Skinheads hatten ihn für einen Rom gehalten.

Gerichte verhängen milde Strafen

Schon seit einiger Zeit ist zudem klar, daß die Täter immer brutaler vorgehen – die zumeist milden Gerichtsurteile haben auf sie keine abschreckende Wirkung. So hatten 1993 15 Skinheads vier junge Roma, die sie zuvor mit Eisenketten geschlagen hatten, in einen Fluß bei der südmährischen Stadt Pisek geworfen, wobei einer der Roma ertrank. In erster Instanz wurden zwei der Skinheads im Dezember 1994 zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt, die 16 weiteren Glatzköpfe wurden mangels Beweisen freigesprochen – das Gericht hatte in der Tat keine rassistischen Motive gesehen.

In Zukunft soll sich dies nun ändern. Justizminister Jiři Novák wurde von Klaus beauftragt, im Strafgesetzbuch eine Erhöhung des Strafmaßes für rassistisch motivierte Anschläge und Übergriffe einzufügen. Polizeipräsident Oldřich Tomášek erhielt die Weisung, gegen Rechtsextreme und Skinheads schneller und härter durchzugreifen, die Gerichte wurden angewiesen, Straftaten auf ihren rassistischen oder nationalistischen Hintergrund zu untersuchen und in gegebenen Fällen Höchststrafen zu verhängen.

Geplant ist außerdem auch eine Überprüfung von rechtsextremistischen Gruppierungen und Parteien, Organisationen mit rassistischer Ideologie sollen mit sofortiger Wirkung verboten werden. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Host gibt es in Tschechien rund 15 rechtsradikale Organisationen. Viele von ihnen, so zum Beispiel der „Club zur Verteidigung der Nation“ oder die „Rothäute“, gehen planmäßig gegen Roma vor.

Der Sicherheits- und Geheimdienst BIS nannte in einem unlängst veröffentlichten Bericht die Zahl von zirka 7.000 Skindheads beziehungsweise Rechtsextremisten in Tschechien, die sich in den verschiedensten Gruppierungen zusammengeschlossen haben. Auf von den Behörden genehmigten Demonstrationen treten diese als Hüter des Gesetzes und Beschützer der BürgerInnen vor „Roma, Drogenabhängigen und anderen Verbrechern“ auf.

Václav Havel warnt vor Gleichgültigkeit

Für viele Beobachter sind die jüngsten Beschlüsse der Regierung daher auch nicht viel mehr als ein Anfang im Kampf gegen den tschechischen Rassismus. Haß auf die Roma-Bevölkerung gebe es nicht allein in den rassistischen Gruppierungen, sondern in der ganzen Gesellschaft. Laut Meinungsumfragen hat ein Viertel der Bevölkerung Tschechiens etwas gegen Menschen anderer Hautfarbe, begrüßt ein Drittel der Jugendlichen die Übergriffe der Skinheads. 70 Prozent der TschechInnen möchten nicht mit einem Rom in einem Haus wohnen.

Den tschechischen Rassismus thematisiert hat neben den Menschenrechtlern bisher allein Präsident Václav Havel. Ausgerechnet an dem Tag, an dem der 42jährige Rom ermordet wurde, weihte er in Lety bei Pisek ein Denkmal für die hier 1942 bis 43 in einem Konzentrationslager umgebrachten Roma ein. In einer Ansprache wies Havel dabei auf die „Gefahr des Rassismus in unserer Zeit“ hin und rügte die Gleichgültigkeit weiter Teile der Bevölkerung.

Probleme dürfte es jedoch auch mit dem „schärferen Vorgehen“ der Polizei geben: In einer Anfang des Jahres veröffentlichten Umfrage hatten 89 Prozent der Polizeianwärter Aversionen gegen Roma geäußert. Allerdings gelang es ihr, die vier Mörder von Ždár schnell festzunehmen. Die Männer im Alter von 17 bis 20 Jahren sollen wegen Mordes aus besonders verabscheuungswürdigen Motiven vor Gericht gestellt werden.