Wettbewerb des Jammerns

■ Deutsche Unternehmer fordern bei Internationaler Kartellkonferenz „Chancengleichheit“ und Staatshilfe

Berlin (taz) – Eigentlich war bei der siebten „Internationalen Kartellkonferenz“ in Berlin eine Demonstration der Überlegenheit deutschen Wettbewerbsdenkens gegenüber französischer Industrieplanung vorgesehen. Doch dann war der Chef der französischen Wettbewerbsbehörde wegen des Regierungswechsels verhindert. Die Konferenzdiskussion über „Wettbewerbs- versus französische Industriepolitik“ entwickelte gerade wegen der fehlenden Franzosen ihren Reiz.

Denn in dem Freiraum entwikkelte sich ein teilweise recht heftiger Schlagabtausch zwischen deutschen Unternehmensvertretern einerseits und WettbewerbshüterInnen andererseits. „Die Welt sieht nun mal anders aus, als in den Köpfen deutscher Wissenschaftler und Bürokraten gedacht wird“, intervenierte aus dem Publikum Folker Streib vom Vorstand der Commerzbank mit einem schneidigen Verweis auf „acht Jahre Asien-Erfahrung“. Natürlich sei er „für die freie Marktwirtschaft. Aber wenn sich manche Mitspieler einfach nicht an die Regeln halten, dann muß man eben reagieren.“

Darin war er sich offensichtlich einig mit Siemenschef Heinrich von Pierer und mit Berthold Leibinger, dem Geschäftsführer des mittelständischen Maschinenbauunternehmens Trumpf aus Stuttgart. Nur über die notwendige Reaktion des Staates gab es Streit. Während Commerzbank-Streib handelspolitische Sanktionen forderte, wünschte der Siemenschef eine Lockerung des harten deutschen Kartellrechts, um in internationalen Allianzen mit anderen Elektronikriesen auf dem globalen Markt bessere Chancen zu haben. „Fünf Milliarden Mark müssen wir jährlich für Forschung investieren“, rechnete von Pierer vor. Da dürfe seinem Unternehmen etwas „burden-sharing“ – also Lastenteilung – doch nicht verwehrt werden. Von Pierer hat immer noch nicht verwunden, daß das Bundeskartellamt die gewünschte Kabelkooperation von Siemens und Philips untersagte, während die größer angelegte Zusammenarbeit des Marktführers Alcatel mit AEG in Brüssel entschieden wurde und dort grünes Licht erhielt.

Der Mittelständler Leibinger schließlich sah die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft vor allem durch kleinere Unternehmen gesichert. Er forderte deshalb ein staatliches Förderprogramm für Existenzgründungen. Dieser Ruf nach dem staatlichen Subventionstöpfen provozierte dann aber den Vorsitzenden der Monopolkommission, Carl Christian von Weizsäcker. Woher solle der Staat denn wissen, was eigentlich eine förderungswürdige Schlüsseltechnologie sei, fragte von Weizsäcker unter Verweis auf die jüngste High-Tech-Entwicklungen: „Zuerst beklagte die Wirtschaft das Chip-Monopol der Japaner, dann das Prozessoren-Monopol von Intel und heute beklagt man ein Monopol von Microsoft im Sortwarebereich.“ Im übrigen werde staatliche Förderung nur zur Abtötung einer Kultur privaten Risikokapitals führen. Solches „Venture-Kapital“ gebe es zum Beispiel in den USA in viel höherem Maße als in Deutschland. Das begründe etwa den Vorsprung der Amerikaner in der Biotechnologie. Christian Rath