Von medialen Speerspitzen und anderen Jaworten Von Klaudia Brunst

Letzten Samstag wollte ich einfach nur abhängen. Am besten vor der Glotze. Und am liebsten vor der „Traumhochzeit“. Weil die immer so schön romantisch ist. Mir war allerdings klar, daß ich zu so was meine Freundin nie hätte überreden können. Also wandte ich meinen Spezialtrick an: Wenn ich was sehen will, was nicht in ihre Kategorien einer „wertvollen Sendung“ paßt, behaupte ich immer, ich müsse das aus beruflichen Gründen sehen. Da kann sie dann nichts gegen sagen.

„Trifft sich gut“, meinte meine Freundin erstaunlich friedfertig. „Die ,Traumhochzeit‘ muß ich mir auch mal angucken.“ Wenn die Kinder in ihrem Schülerladen „Hochzeit“ spielen, will nämlich neuerdings niemand mehr die Braut sein. „Erst dachte ich, das seien die Früchte unserer alternativen Erziehung“, meinte sie, „aber dann wurde mir klar, daß die nur alle Linda de Mol sein wollen.“

Also holten wir uns am Abend die Chipstüte und den Rotwein ans Bett und machten es uns bei der medialen Fortbildung gemütlich. Soweit das geht, wenn man mit meiner Freundin „Traumhochzeit“ guckt. „Das kann doch nicht wahr sein!“ stöhnte sie nämlich schon kurz nach dem Opening und hielt sich demonstrativ die Augen zu. „Wie kannst du dir das nur so gelassen angucken?!“ – „Alles rein beruflich“, murmelte ich und setzte schnell eine ernste Miene auf. „Sonst würde ich natürlich nie...“

„Da mußt du unbedingt etwas ganz Kritisches drüber schreiben“, beschloß meine Freundin schon während des ersten Werbeblocks und holte meinen Stenoblock vom Schreibtisch. Dann hielt sie mir einen langen Vortrag über den gesellschaftlichen Backlash und die neue Heiratswut, die doch letztlich nichts anderes bezwecke, als uns Minderheiten immer wieder vor Augen zu führen, daß wir nicht dürfen, was den Heteros als Grundrecht ins bürgerliche Stammbuch geschrieben sei.

Solche Leute wie Linda de Mol und dieser „Michael Dingsda“, so meine Freundin pathetisch, bildeten die mediale „Speerspitze“ jener neopatriarchalen Bewegung, die unseren „liberalen Staat“ aus den Angeln heben wolle. „Und unsere Kinder haben sie ja schon auf ihre Seite gezogen.“ Jetzt sehe sie die Rollenspiele der verwirrten Kleinen natürlich in einem ganz neuen Licht. Gleich beim nächsten Elternabend werde sie die „Traumhochzeit“ thematisieren und den Eltern über das „reaktionäre Potential dieser Propagandasendung“ die Augen öffnen.

„Oooch“, meinte ich besänftigend und drehte die Lautstärke etwas höher, um wenigstens noch den standesamtlichen Showdown mitzubekommen, „mir gefällt das eigentlich ganz gut. Immerhin kann man da eine tolle Hochzeitsreise gewinnen. Schade, daß wir da nicht mitmachen können.“

„Niemals würde ich ...“, schnaubte meine Freundin, während sich Linda de Mol für diese Woche gerade von uns verabschiedete. Für nächsten Samstag kündigte sie eine „Weltsensation“ an: Da habe sie nämlich zwei Frauen zu Gast, die sich vor laufender Kamera „zu ihrer Liebe“ bekennen würden. Eine Weile herrschte Stille im Raum. Dann meinte meine Freundin mit bemüht gleichmütigem Ton: „Könntest du mir das vielleicht aufzeichnen? Nächsten Samstag habe ich nämlich blöderweise Elternabend.“