Press-Schlag
: Der Straßenmusiker

■ World Team Cup der Tennisspieler

Tennis in Kroatien ist wie Straßenmusik: schräg, spontan, improvisiert. Und Goran Ivanisevic ist dort so eine Art Ein- Mann-Kapelle – man stelle ihn sich vor mit einer Trommel auf dem Rücken, Gitarre in der Hand und Mundharmonika zwischen den Zähnen. Dann spielt er den Blues, und er erzählt vom Leid und der Brutalität, so wie sie im richtigen Leben Künstlern begegnet, die durch die Lande ziehen, oder den Menschen zwischen Sarajevo, Belgrad und Zagreb. Deshalb ist Tennis in Kroatien auch wie Krieg, und Goran Ivanisevic hat einmal gesagt, sein Racket sei seine Waffe.

Ein schauderhafter Gedanke, Ivanisevic meint ihn erst. Wenn er dieser Tage beim World Team Cup in Düsseldorf spielt, so erscheint die Aggressivität seines Spiels multipliziert mit dem Faktor Nationalismus. Ivanisevic sagt: „Ich bin froh, daß ich endlich für mein Land spielen darf und nicht mehr für dieses andere“, und an seinen letzten Auftritt vor fünf Jahren unter jugoslawischer Flagge will er sich gar nicht mehr erinnern. Dabei war damals für ihn alles einfacher, da gab es ein Team mit Erfolgsaussichten. Heute ist die Nummer zwei in der Mannschaft in der Weltrangliste im Nirgendwo notiert: Sasa Hirszon heißt der Mann und ist vor allem eins: völlig überfordert. Um so beschwerlicher die Aufgabe für den kroatischen Solo- Entertainer Ivanisevic – Hirszon ist ein ähnliches Handicap wie eine auf dem Rücken festgezurrte Trommel.

Bislang ist die Bilanz ausgeglichen, 2:1 gegen den Favoriten Spanien gewonnen, nur gegen die Niederlande beim 1:2 keine Chance im Doppel. Da ist eher Rußland, der derzeitige Tabellenführer der Roten Gruppe, zu schlagen. Allerdings wird von Ivanisevic abhängen, ob die Kroaten ihre kleine Chance nutzen, das sonntägliche Finale zu erreichen. Ivanisevic wäre das recht, denn er spielt dieses Turnier, in dem es nicht um Weltranglistenpunkte geht, nur deshalb, weil er gern mit seinen Landsleuten beisammen ist.

Ist es da noch erstaunlich, daß er sich aufopfert bis zur Schmerzgrenze? Eigentlich schon. Am Montag beginnen in Paris die French Open, und da sollte man sich nicht verausgaben bei einem Showturnier. Der Spieler Stich verzichtet beispielsweise auf Doppeleinsätze, Sergi Bruguera (Spanien) und Yewgeni Kafelnikow (Rußland) haben bei den ersten Begegnungen zugesehen. Soll aber noch lange nichts über den heftig umstrittenen sportlichen Stellenwert der Veranstaltung im Düsseldorfer Rochusclub aussagen. „Das sind keine reinen Exhibition-Matches“, sagt Karsten Braasch, Ersatzmann für den oberschenkelmaladen Bernd Karbacher, „wenn man hier verliert, nagt das am Selbstbewußtsein.“ Und Stefan Edberg sekundiert, daß doch eh jeder sein Bestes gebe.

Das ist ehrenhaft und paßt prima zur Maxime der Veranstalter. Die freuen sich besonders darüber, daß die Exponenten der Branche freiwillig mitmachen und ganz ohne Antrittsgeld. Düsseldorf ist eben schön, da kommt man gern, besonders in diese Gegend am Rande des Grafenberger Waldes. [Die Klapse ist auch gleich um die Ecke - d.säzzer] Eine exklusive Lage ist das, aber Volkstümlichkeit wolle man sich dennoch bewahren, sagt Horst Klosterkemper, der Turnierdirektor. Im Rochusclub, so lobt man sich gerne selbst, genießt die Familie noch so etwas wie Artenschutz. Bei Eintrittspreisen ab 16 Mark für einen Stehplatz auf dem Centre Court II ist der World Team Cup ein Vergnügen in der Preislage von Fußball- und Eishockey-Bundesliga.

Wie lange das noch so bleibt? 1997 läuft der Vertrag mit der ATP aus. Und weil diese mit „einem hohen zweistelligen Prozentsatz“ (Klosterkemper) an den Einnahmen beteiligt ist, möchte sie mit einer Großsporthalle das Turnier aufteilen in Nachmittags- und Abendveranstaltung. Ein Standortwechsel droht. Das Argument von Klosterkemper ist die Atmosphäre des Rochusclubs. Wie soll ein kalter Betonbau damit konkurrieren? Die ATP wird sich entscheiden müssen zwischen Reibach und Tradition. Markus Götting