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: Wüste Spekulationen

„Gesucht wird ... Die Wahrheit von Solingen“, Mi., 21.45 Uhr, ARD

Der Solinger Brandanschlag kostete fünf türkischen Frauen und Mädchen das Leben und stürzte die seit langem in Solingen lebende türkische Familie Genc ins Unglück. Weltweit erregten die Bilder dieses Verbrechens vom 29. 5. 1993 für Aufsehen. Seit mehr als einem Jahr stehen vier Angeklagte wegen dieser Tat vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht. Das Ende der zähen Beweisaufnahme naht. Mit den Plädoyers wird in Kürze gerechnet.

Zu welchem Urteilsspruch die fünf Düsseldorfer Richter kommen werden, steht dahin. Auf eins darf man nach dem bisherigen Prozeßverlauf aber vertrauen: So fahrlässig einseitig wie bei der ARD-Reportage „Gesucht wird ... Die Wahrheit von Solingen“ wird die Beweiswürdigung durch das Gericht gewiß nicht ausfallen.

Schon in den Vorankündigungen hatte WDR-Redakteur Gert Monheim eine dicke Lippe riskiert. Er und sein Co-Autor Michael Heuer seien auf eine Spur gestoßen, „die uns die entscheidende zu sein scheint“. Tatsächlich kann davon keine Rede sein. Was wir erlebten, war eine neue Folge der in diesem Verfahren bis zum Exzeß praktizierten Prozeßführung über Zeitungen und elektronische Medien. Daß hier mal wieder eine „einseitige Darstellung aus Sicht der Angeklagten“ abgeliefert wurde, wie der Rechtsanwalt der Familie Genc, Rainer Brüssow, nach Ansicht des Films urteilte, steht außer Frage. Zeugenaussagen zur Brandentstehung und zum Brandlegungszeitpunkt, die nicht ins Bild paßten, wurden ebenso unterschlagen wie Hinweise auf das Brandspurenbild, die für den Einsatz eines Brandbeschleunigers sprechen.

Daß ein Brandsachverständiger fahrlässig schlampig gearbeitet und die Polizei sich zahlreiche Ermittlungspannen geleistet hat, weiß jeder Zeitungsleser. Auch die Rolle des für den nordrhein- westfälischen Verfassungsschutz arbeitenden V-Manns Schmitt haben Prozeßbeteiligte und Presse in allen Facetten ausgeleuchtet. Doch statt neuer Fakten bot der Film selbst hier nur wüste Spekulationen über „bisher noch nicht aufgedeckte brisante Zusammenhänge“. Man muß nicht dem harten Urteil von Rainer Brüssow folgen – „aus meiner Sicht wurde die Beweisaufnahme im Film total verdreht“ – aber mit objektiver Wahrheitssuche hat dieser Film wenig gemein. Walter Jakobs