Israel nimmt Abschied vom Golan

■ Jitzhak Rabin bietet Syrien einen "symbolischen Abzug" von dem annektierten Gebirgszug an / Damaskus offenbar zu Zugeständnissen über Sicherheitsmaßnahmen bereit / Aufregung bei den Siedlern

Tel Aviv/Washington (taz/AP/ wps) – Zweimal innerhalb von 24 Stunden wählte US-Außenminister Warren Christopher die Nummer seines syrischen Amtskollegen Faruk al-Shara, dann hatte er ihn rumbekommen. Am Mittwoch erklärte Christopher in Washington, Israel und Syrien hätten eine Rahmenübereinkunft über einen israelischen Abzug vom Golan erzielt. Der strategisch wichtige Gebirgszug war 1967 von israelischen Soldaten besetzt und 1981 von Israel annnektiert worden. Die Okkupation galt bisher als entscheidendes Hindernis für Frieden zwischen Syrien und Israel.

Christopher kündigte an, er werde nächsten Monat zu einer erneuten Friedensmission in den Nahen Osten aufbrechen. Sein Nahost-Beauftragter Dennis Ross solle noch in der kommenden Woche vor Ort den Boden dafür bereiten. Ende nächsten Monats würden dann hochrangige israelische und syrische Militärs nach Washington reisen, um über Sicherheitsvorkehrungen am Golan nach einem israelischen Abzug zu verhandeln.

In dem zweiten Telefongespräch hatte al-Shara offensichtlich die bisherige syrische Forderung nach „reziproken und gleichmäßig verteilten“ Sicherheitsarrangements zurückgenommen. Weil Israel darauf besteht, daß der Golan nach einem Abzug frei von syrischen Soldaten bleibt, hatte Syrien bisher verlangt, daß auf israelischer Seite eine gleichgroße entmilitarisierte Zone eingerichtet wird. Die israelische Regierung lehnte dies mit Hinweis auf die unterschiedliche Größe der beiden Staaten ab. Im israelischen Rundfunk hieß es gestern, statt auf „geographische Gleichheit“ habe man sich auf „Gleichheit von Sicherheitsarrangements“ verständigt.

Christophers Telefonaten waren in den letzten Wochen Washington-Reisen des israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin und al-Sharas vorausgegangen. Nach Agenturberichten soll sich zudem Baschar al-Assad, der Sohn des syrischen Staatschefs Hafiz, in London mit israelischen Vertretern getroffen haben. Die Meldung wurde in Damaskus offiziell dementiert, jedoch halten sich seit Monaten hartnäckig Gerüchte über syrisch-israelische Geheimverhandlungen.

Israels Regierungschef Rabin bot gestern einen „symbolischen“ Rückzug vom Golan an, „gefolgt von einer Normalisierung der Beziehungen unserer beiden Länder innerhalb von drei Jahren“. Die Äußerung läßt jedoch offen, ob ein Rückzug bis an die internationale Grenze gemeint ist, oder – wie von Syrien gefordert – darüber hinaus auf die vor dem Krieg von 1967 bestehende Waffenstillstandslinie. Entsprechend warnte Rabin gestern auch vor voreiligen Hoffnungen. Da jedoch 1996 in den USA und in Israel Wahlen anstehen, dürften alle Beteiligten daran interessiert sein, möglichst noch in diesem Jahr zumindest ein „Skelett“ eines Friedensabkommens präsentieren zu können.

Bei den jüdischen Siedlern auf dem Golan rief das Bekanntwerden der israelisch-syrischen Verhandlungsinitiative Unruhe hervor. „Wir werden diese Regierung abbauen, bevor es ihr gelingt, unsere Siedlungen abzubauen“, sagte der Siedlersprecher Jehuda Harel. Die rechtsgerichtete Opposition warf Rabin vor, er habe insgeheim den vollständigen Rückzug vom Golan zugesagt, und beantragte eine Parlamentsdebatte über die Verhandlungen mit Syrien.

Angesichts der Bewegung zwischen Syrien und Israel zeigte sich der Chef der palästinensischen Autonomieverwaltung, Jassir Arafat, gestern bei Gesprächen in Ägypten optimistisch über den weiteren Fortgang der Autonomieverhandlungen mit Israel. Arafat und ein ägyptischer Regierungssprecher drückten ihre Hoffnung aus, daß es auch in anderen Bereichen des Nahost-Friedensprozesses zu neuen positiven Entwicklungen kommen werde. awo/taud

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