Stereotype Sicht auf Deutschland

■ Shiro Umemoto arbeitet für das japanische Privatfernsehen

Auf dem Schreibtisch steht neben japanisch-deutschen Wörterbüchern, Nachschlagewerken und Berlin-Reiseführern ein dickes Buch mit dem Titel „These Strange German Ways“. Was ist seltsam an Deutschland? Shiro Umemoto lacht. „Es ist schwierig hier, Termine zu vereinbaren. Besonders vor den Sommerferien. In deutschen Behörden ist immer eine Person zuständig, und wenn die nicht da ist, kann keiner weiterhelfen. In japanischen Ämtern herrscht mehr Kontinuität in Organisation und Kommunikation.“

Bei seiner ersten Urlaubsvisite in Deutschland hatte er den Eindruck, Deutsche hätten es immer sehr eilig. „Diesen Eindruck habe ich jetzt nicht mehr“, ergänzt Umemeto lakonisch. Seit zwei Jahren berichtet er aus der Voltastraße im Wedding für den privaten Fernsehsender Mainichi Broadcasting System, dem zweitgrößten der vier privaten Networks. Zusammen mit den Büros in London, Paris, Wien und Moskau wird die Berichterstattung über Europa abgedeckt. Aus japanischer Perspektive sind die zentralen Themen augenblicklich die wirtschaftliche Lage Deutschlands, der 50. Jahrestag des Kriegsendes, Neonazismus und Umweltschutz. Dies führe zu einer sehr stereotypen Sicht auf Deutschland, klagt er.

„Ich möchte gerne einen Unterschied machen, aber ich kann nicht sagen, daß ich dabei erfolgreich bin. Wir wollen etwas anderes berichten als die Zentrale in Tokio. Im letzten Jahr habe ich einen Beitrag gemacht über das Ende der Treuhand, weil ich den Vorgang der Privatisierung sehr wichtig finde, aber in Tokio fand man das nicht so. Dafür bekomme ich manchmal Vorgaben, die ich nicht akzeptieren kann. Zum Beispiel wollten sie irgendwelche Nacktfotos von Prinz Charles haben. Wir haben dann die Bild-Zeitung gekauft, die entsprechenden Seiten gefilmt, den Text übersetzt und nach Japan gesendet.“ Eilige Bilder werden über den hauseigenen Mediaport-Satellit geschickt, längere, nicht aktuelle Beiträge gehen per Post, das dauert zwei Tage. Ungefähr viermal monatlich erscheinen kurze Beiträge aus Deutschland in den japanischen Nachrichten, längere Drei-Minuten-Geschichten etwa zweimal monatlich. Alle paar Wochen bekommt Shiro Umemoto die gesendeten Beiträge zugeschickt, aber die schaut er sich nicht mehr an. „Ich wäre wütend, wenn ich die Kürzungen sehen würde.“

Persönlich interessieren Umemoto vor allem die Ausländer in Berlin. Auch Japan bekomme immer mehr ausländische Arbeitskräfte und werde bald vor ähnlichen Problemen stehen wie Deutschland. Über die Lage der Vietnamesen will er seinen nächsten Film drehen. Daniel Bax