Press-Schlag
: „Den kannst du nachts um zwölf wecken!“

■ Waldhof Mannheim muß einsehen, daß Uli Stielike ein Glücksfall ist

Am 17. März 1982 verließ er neben Camacho als einziger erhobenen Hauptes den Lauterer Betzenberg. Real Madrid hatte nach dem 3:1 von Bernabeu mit 0:5 beim 1. FCK verloren und außerdem drei Platzverweise zu beklagen. Für El Pais hatte sich ausgerechnet der „Mythos Stielike lähmend im Spiel gegen eine deutsche Mannschaft ausgewirkt“. 13 Jahre später, als Trainer des Bundesligaaspiranten SV Waldhof Mannheim, sieht Stielike (40) das Ganze anders. „Wir sind auch 1980 beim HSV mit 1:5 untergegangen, weil wir als Mannschaft nicht funktioniert haben.“ Das sagt einiges über den Mann und erklärt seine Ungeduld und die offen geäußerte Unzufriedenheit mit seinem Job beim Zweitliga- Zweiten.

„Ich verzweifle vor allem an den einfachen Dingen, wenn einer den Ball unbedrängt aus fünf Metern an seinem Mitspieler vorbeispielt“, beklagt der Europameister von 1980 das mangelnde spielerische Niveau der zweiten Bundesliga, die er so schnell wie möglich hinter sich lassen möchte.

So ganz klar ist vielen bis heute noch nicht, warum der „Weltmann“ Stielike ausgerechnet in der Kurpfalz gelandet ist. Dreimal war er deutscher Meister, einmal Pokalsieger und einmal UEFA-Cup-Gewinner mit Borussia Mönchengladbach, wohin ihn Hennes Weisweiler 1973 von der SpVgg. Ketsch geholt hatte. Schon als 23jähriger pfiff der selbstbewußte Mittelfeldspieler auf erpresserische Warnungen des DFB und verabschiedete sich zu Real Madrid, wo er Günter Netzer und Paul Breitner schnell vergessen ließ.

Cambio 16 lobte ihn für drei spanische Meistertitel, zwei Pokalsiege und einen UEFA-Cup- Titel. „Niemand spielt so hingebungsvoll, so fleißig, so zuverlässig wie Uli. Er ist ein Glücksfall für Real ...“

„War auf Zenit“: Stielike Foto: Nagel

Ein Glücksfall ist Stielike nun auch für den SV Waldhof, bei dem sich vor einem Jahr die Traditionalisten aus dem Präsidium verabschiedeten und den just mit einem neuen Vertrag versehenen Trainer Valentin Herr gleich Huckepack nahmen. Der neue starke Mann Wilfried Gaul hatte gemeinsam mit PR-Manager Horst Reber längst Uli Stielike als Nachfolger ausgeguckt. Der gegenüber anderen Trainern einen entscheidenden Vorteil hat. „Ich muß mir nichts mehr beweisen“, sagt der nämlich, „ich war auf dem Zenit und habe beim besten Verein der Welt gespielt.“ Was ihn von anderen Trainern unterscheide.

Apropos Trainer. Jupp Heynckes kann er gut verstehen wegen seines Rückzugs nach Spanien, wo ein Trainer noch Respektsperson sei. Vom schlechten spielerischen Niveau in Deutschland ganz zu schweigen. Da liegt die Frage nahe, ob er nicht selber gerne zurückginge. „Man vergißt über dem Trainer oft den Familienvater mit Frau und drei Kindern im schulpflichtigen Alter“, beugt Stielike, der im Odenwald wohnt, Gerüchten über eine vorzeitige Abwanderung aus Mannheim vor. Kürzlich hatte er ein Angebot von Galatasaray Istanbul. Doch lieber spricht er von Berufsethik und Vertragstreue.

Worte, die bei Uli Stielike einen hohen Stellenwert haben: Selbstdisziplin, Mut und Ehrlichkeit. Speichellecker und Schulterklopfer, Schönwetterfreunde und Süßholzraspler mag er nicht ausstehen. Vom Mannheimer Publikum ist er enttäuscht, „weil sie bereits nach zwei Fehlpässen den Finger im Hals haben.“ Im bundesligareifen Carl-Benz-Stadion wünscht er sich Unterstützung, wie sie in Dortmund oder Kaiserslautern üblich ist. „Das“, sagt er, „ist für mich phänomenal!“

Klappt es mit dem Aufstieg, ginge für Uli Stielike ein Wagnis auf, für das er 1992 sogar die hoffnungsvolle Schweizer „Nati“ aufgab. Zehn Länderspiele im Jahr waren ihm zu wenig, eine „eigene“ Mannschaft wollte er haben, mit ihr tagtäglich auf dem Platz arbeiten. So „tauschte“ er seinen Job mit Roy Hodgson und ging zu Xamax NeuchÛtel, wo er als Spieler zweimal Schweizer Meister geworden war. Doch dort war man zu ungeduldig, wollte zu schnell zu viel. Zum Glück für den SV Waldhof!

Allerdings herrscht auf dem Waldhof trotz aller Erfolge immer noch gewisse Skepsis gegenüber dem oft distanziert wirkenden Trainer und seiner Mannschaft.

Heute geht es zum Zwangsabsteiger 1. FC Saarbrücken, danach kommt Wattenscheid, muß man nach Hannover, und dann hofft Uli Stielike, endlich nicht mehr „jeden Tag blöd angequatscht“ zu werden, weil die Leute mit einem Auswärtspunkt unzufrieden sind. „Da stehst du morgens fröhlich auf, und der Tag wird dir von außen vermiest!“ Dann lieber nachts von Erich Ribbeck geweckt werden, der Waldhofs Coach einst treffend charakterisierte: „Den Uli kannst du nachts um zwölf Uhr wecken und sagen, komm, wir gehen Fußball spielen, dann kommt der mit!“ Günter Rohrbacher-List