Ein Armenhaus als Goldgrube

■ Wie Ex-Soldaten aus Großbritannien die Bodenschätze des westafrikanischen Sierra Leone verteidigen, von Südafrikanern abgelöst werden und zur Verlängerung eines grausamen Bürgerkrieges beitragen

Freetown/London/Berlin (taz/ IPS) – Gelangweilte, hochausgebildete Soldaten gibt es in Großbritannien viele. Die Ära der Großmachtpolitik ist vorbei, und sogar der vertraute Feind in Nordirland kommt langsam abhanden. Da hilft nur der Rückgriff auf das alte Empire, wo Kriege zuhauf locken. Neuester Spielplatz für Spezialtrupps scheint das westafrikanische Sierra Leone zu sein, wo ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der Militärregierung unter Leutnant Valentin Strasser und der Rebellenbewegung „Revolutionäre Einheitsfront“ (RUF) tobt.

Das Geschäft ist einfach. Ein ehemaliger Offizier namens Nick Bell, Veteran einer Einheit nepalesischer Gurkha-Elitesoldaten im Dienste des Empires, unterhält auf der Kanalinsel Jersey eine Wach- und Schließgesellschaft namens „Gurkha Security Guards“. Anfang April lud Bell in ein Hotel des südenglischen Städtchens Banbury und bot bis zu 2.000 Dollar (3.000 Mark) die Woche für einen Spezialauftrag in Sierra Leone. „Jungs, die in Nordirland oder im Golfkrieg gedient hatten, waren besonders gesucht“, sagte ein Ex-Fallschirmjäger, der an dem Treffen teilnahm. „Bell sagte, wir würden reingehen, den Job erledigen und uns wieder zurückziehen“.

Der „Job“ bestand in der Bewachung von Titan- und Eisenerzminen in Sierra Leone. Etwa 30 starke Jungs, so der Fallschirmjäger, flogen nach Sierra Leone. Dort trafen sie, erzählte er, auf 50 andere Briten, die schon seit Februar dort kämpften.

Der Gurkha-Einsatz war zunächst erfolgreich. Ende April meldete die Regierung die Rückeroberung des südlichen Bergbaugebietes „Sierra Rutile“. Dann aber wurde der Kommandeur der Truppe, Bob McKenzie, von den Rebellen getötet. Die Briten flogen nach Hause. Die Regierung Sierra Leones fand neue Beschützer letzte Woche – in Südafrika: Die Firma „Executive Outcomes“ sprang in die Bresche. Firmenleiter Eeben Barlow, Ex-Geheimdienstoffizier, behauptet zwar, er sei nur „in Wasserpurifizierung, im Bau- und Medizinwesen“ tätig; doch sein Unternehmen ist vor allem in Angola bekanntgeworden, wo seine Leute erst auf Seiten der Rebellen und dann auf Seiten der Regierung kämpften.

Ein bitterarmes Land voller Mineralien

Die Südafrikaner wären in Sierra Leone nicht allein. Soldaten aus Nigeria schützen die Regierungsgebäude in Freetown, 1.000 Soldaten aus Guinea kämpfen auf Regierungsseite. Die ausländische Beteiligung verwundert nicht. Sierra Leone, eines der ärmsten Länder der Welt, ist voller Mineralien, viele Bergbaukonzerne sind dort tätig, und seitdem der Vormarsch der RUF im Februar kurz vor Freetown zum Stillstand kam, dreht sich der Krieg hauptsächlich um die Kontrolle der Minen.

Für 32 Millionen Dollar exportierte Sierra Leone 1994 Gold – zumeist als Privatgeschäft der regierenden Junta, die viel zwischen Freetown und London hin und her reist. Die Exporterlöse gehen in den Krieg: 30 Briten à 2000 Dollar die Woche kosten schon über drei Millionen Dollar im Jahr. Bei solchen Preisen reicht das ganze Bruttosozialprodukt des Landes gerade mal für 9.000 Söldner. Die Großzügigkeit der Regierung gegenüber ihren ausländischen Freunden gibt den RUF-Rebellen eine neue Rechtfertigung für ihren Krieg: Die RUF werde „niemals in den Friedensprozeß eintreten, solange nicht alle ausländischen Söldner und Ausbilder aus Sierra Leone verschwunden sind“, sagte vor kurzem RUF-Führer Foday Sankoh.

Die Menschen können derweil sehen, wo sie bleiben. Bis zu zwei Millionen Menschen – die halbe Bevölkerung des Landes – sollen sich mittlerweile in Freetown aufhalten, während im Rest des Landes Soldaten, Rebellen und Banditen ihr Unwesen treiben. „Es handelt sich nicht mehr um einen Krieg mit einer Frontlinie zwischen Rebellen und Regierungssoldaten“, sondern um einen allgemeinen Plünderungskrieg gegen die Zivilbevölkerung, erklärte jetzt amnesty international und zitierte einen Flüchtling: „Man kann Rebellen von Soldaten nicht unterscheiden. Sie gebrauchen die gleichen Waffen, tragen die gleiche Uniform, sie sind in fast allem gleich“. Außer wenn sie weiß sind. D.J.