Schotten wählen gegen das Vaterland

■ Aber für das Mutterland: Schottische Nationalisten siegen bei Nachwahl und lassen die konservative Unterhausmehrheit weiter schrumpfen / Nun hat Major Angst um die Einheit des Vereinigten Königreichs

Dublin (taz) – Da waren's nur noch zehn: Nachdem die Tories bei der Nachwahl im schottischen Wahlkreis Perth und Kinross am Donnerstag erneut einen Sitz verloren, ist John Majors Unterhausmehrheit auf zehn Mandate geschrumpft. Der Sitz ging an Roseanna Cunningham von der „Scottish National Party“ (SNP), die 40 Prozent der Stimmen gewann.

Die Nachwahl war erforderlich geworden, nachdem der konservative Abgeordnete Nicholas Fairbairn nach langer Krankheit verstorben war. Seinem Parteikollegen John Godfrey, der den Sitz für die Tories verteidigen sollte, hatte Fairbairn die ohnehin geringen Chancen gründlich verdorben. Vom Sterbebett teilte er mit, was er vom jungen Godfrey hielt: Er sei ein „unwählbarer Clone, der keine Ahnung von Perth und von Schottland“ habe. Vermutlich hat es der Exzentriker im Jenseits vergnügt zur Kenntnis genommen, daß der „Clone“ sogar hinter den Labour- Kandidaten auf den dritten Platz zurückgefallen ist. Die SNP, die für ein unabhängiges Schottland eintritt, hat nun vier Abgeordnete im Unterhaus.

Das Ergebnis ist für Premierminister John Major eine persönliche Niederlage. Er hatte die Nachwahl im Vorfeld zu einem „Referendum über die schottische Unabhängigkeit“ hochstilisiert. Sein Staatssekretär im Innenministerium, Michael Forsythe, wetterte in der vergangenen Woche, eine Stimme für Roseanna Cunningham sei „ein Votum gegen Queen und Vaterland“. Godfrey, der zwar von Geburt her schottisch ist, aber schon früh nach London zog, bewies gestern zumindest Galgenhumor: Seine Niederlage sei die glimpflichste, die die Tories in dieser Legislaturperiode bei Nachwahlen hinnehmen mußten.

Eine weitere steht aber gleich ins Haus: In Littleborough bei Manchester muß demnächst gewählt werden, weil der Tory-Abgeordnete Geoffrey Dickens plötzlich gestorben ist. Dort machen sich die Liberalen Demokraten berechtigte Hoffnungen auf den Sitz. Ihr Vorsitzender Paddy Ashdown begrub gestern offiziell die „Politik des gleichen Abstands zu Labour und den Tories“. In dem neuen Positionspapier heißt es, man werde keinesfalls eine Tory-Minderheitsregierung tolerieren, sondern mit Labour kooperieren.

In Schottland, wo die Tories bereits bei den Kommunalwahlen im April auf den Status einer Splittergruppe reduziert wurden, wollen sie ihr Aussterben durch Kosmetik verhindern: Die Parteiführung in Edinburgh erwägt ernsthaft, die Konservativen in „Unionist Party“ umzutaufen. So hießen sie bis in die sechziger Jahre. Mit der Umbenennung hofft man, den Ruf als „englische Partei“ loszuwerden, setzt aber gleichzeitig auf Meinungsumfragen, wonach die Mehrheit der SchottInnen angeblich für die Union mit England ist. Ralf Sotscheck