Eine Bank sucht ihren Sinn

Krisensitzung der „Afrikanischen Entwicklungsbank“ (ADB) in Nigeria ohne Ergebnis beendet / Dringende Reformen hinausgeschoben  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Bisher hatte die „Afrikanische Entwicklungsbank“ (ADB), eine der größten Entwicklungsbürokratien Afrikas, lediglich kein Geld. Nun hat sie auch keinen Kopf. Die dreitägige Jahrestagung der Bankgouverneure in Nigerias Hauptstadt Abuja, auf der ein Nachfolger für den bisherigen Bankpräsidenten Babacar Ndiaye gewählt werden sollte, endete gestern mit einem Fiasko: Kein Kandidat erhielt die erforderliche absolute Mehrheit, keiner wollte sich zurückziehen, und so wurde die Wahl um sechs Monate verschoben. „Es gibt jetzt keinen Bankpräsidenten mehr“, sagte eine ADB-Sprecherin. „Die Gouverneure sind dabei, zu überlegen, wer nun die Interimsphase übernehmen könnte.“

Der seit 1985 amtierende Präsident Ndiaye hat sein Amt vorzeitig niedergelegt und stand auch für keine Wiederwahl zur Verfügung. Er wirft das Handtuch, weil sowohl die Finanzen wie auch das Betriebsklima der in der Elfenbeinküste ansässigen Bank hoffnungslos zerrüttet sind.

Die ADB wurde 1963 gegründet, kurz nach der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), und sollte die ökonomischen Entwicklungsträume Afrikas verwirklichen, für die die OAU auf politischer Ebene stand. Seitdem hat die Bank, der alle afrikanischen Länder mit Ausnahme Südafrikas angehören, 29,3 Milliarden US- Dollar verliehen, zumeist in Landwirtschafts- und Energieprojekte wie zum Beispiel die Förderung der Wasserkraft in Zaire – was auch schon ein Problem der ADB erklärt: Die verliehenen Gelder sieht sie oft nie wieder. Die gesamten Außenstände der Bank belaufen sich zur Zeit auf 8,9 Milliarden Dollar. 7,7 Milliarden davon fallen auf Zaire, Angola und Liberia.

Schon früh wandte sich die Bank fremden Geldgebern zu. Das Aushängeschild der Bank, der 1972 zuerst eingerichtete „Afrikanische Entwicklungsfonds“ (FAD), ist ein rein außenfinanzierter Geldtopf, dessen Inhalt an besonders arme Staaten – das sind 39 der 52 Mitglieder – zu null Prozent Zinsen verliehen wird. Der letzte FAD-Topf wurde jedoch Ende 1993 leer.

Seitdem blockieren die westlichen Geldgeber, die ein Drittel des ADB-Kapitals halten, die Einrichtung eines neuen Fonds und verlangen Reformen. Die sind bitter nötig. Erst letzte Woche nannte Ndiaye in einem internen Bericht die 18 Bankdirektoren, die von den Regierungen der Mitgliedsländer entsandt werden, „mehrheitlich amtsunfähig“. Sie sähen ihre Posten oft als „persönliche kleine Fürstentümer“, verschwänden das halbe Jahr über auf angeblichen Kur- oder Dienstreisen im Ausland oder gäben ihre Etats für private Zwecke aus. Einer „verbrachte 172 Tage im Jahr in Deutschland, davon 154 angeblich für medizinische Behandlung“ – rein zufällig immer in den Ferien.

Andere Verfehlungen benannte Ndiaye nicht: Dem Personal im ADB-Hauptsitz steht seit 1992 ein eigener Kredittopf zum Grundstückskauf in Abidjan zur Verfügung, der bis zu zwei Jahresgehälter oder 80 Prozent des Kaufpreises abdeckt und auch zur Refinanzierung existierender Privatkredite benutzt werden kann. Im selben Jahr verlangte das einheimische ADB-Personal bei einer Betriebsversammlung Freiflüge für seine Kinder, wie sie ja auch den Mitarbeitern aus anderen Ländern zustünden. Und entgegen dem Rat seiner Mitarbeiter investierte Ndiaye beträchtliche Summen in der 1991 wegen Geldwäscherei aufgelösten „Bank of Commerce and Credit International (BCCI), wo mindestens 36 Millionen Dollar verlorengegangen sind.

Zentrales Problem der ADB ist jedoch eine Sinnkrise, die Namibias Finanzminister Otto Herrigel nach dem Beitritt seines Landes 1991 so definierte: „Fast alle afrikanischen Länder sind überschuldet. Was kann da neue Kredite rechtfertigen?“ Da sie ihre Kreditpolitik offiziell der der Weltbank angeglichen hat, kann die ADB auch keine besondere entwicklungspolitische Rolle reklamieren.

Da ist es nur logisch, daß die reichen Geberländer auf dem Sprung stehen, über die ADB die Kontrolle zu übernehmen. Sie legten den in Abuja tagenden Gouverneuren einen Reformplan vor: Das außerafrikanische Kapital wird von einem Drittel auf 49,9 Prozent erhöht, das auf westlicher Linie liegende Südafrika – das sich bisher fernhielt – tritt der Bank bei und löst Nigeria als größten afrikanischen Teilhaber ab, und dann geben die Geldgeber die blockierten FAD-Gelder frei. Mangels Einigung über einen neuen ADB-Präsidenten blieb aber ein Beschluß darüber aus. Die Krise bleibt.