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Ein amerikanischer Panzerknacker in Paris

■ Neu im Kino: „Killing Zoe“ von „Pulp Fiction“-Ko-Autor Roger Avary

Wenn zwei ein Drehbuch schreiben und dafür oscarnominiert werden, sitzen sie bei der Urteilsverkündung normalerweise dicht beieinander, um sich gegebenenfalls schnellstmöglich bespringen zu können. Nicht so die „Pulp Fiction“-Kollaborateure Quentin Tarantino und Roger Avary, die das Podium aus deutlich anderen Ecken des Saals ansteuerten, als sie ihr goldenes Kerlchen abholten. Die beiden hatten sich im Laufe ihrer Karrieren verstritten, weil Tarantino stets als Self-Made-Genie gefeiert wurde, während sein ständiger heimlicher Ko-Autor froh sein konnte, wenn er eine Danksagung im Abspann erhielt. Jetzt präsentiert Roger Avary allerdings mit „Killing Zoe“ sein ganz eigenes Regiedebüt, bei dem Tarantino wenigstens noch Kumpel genug war, um als ausführender Produzent zu fungieren.

Der vielbeschäftigte Eric Stoltz, der zur Zeit auch als Ritter in „Rob Roy“ und als Schwiegersohn in „Betty und ihre Schwestern“ zu sehen ist, spielt den amerikanischen Panzerknacker Zed, der in Paris mit seinem Freund Eric (Jean- Hugues Anglade) und dessen Gang eine Bank überfallen will. In der Nacht vor dem Coup wird nicht etwa penibel geplant und früh zu Bett gegangen, sondern gehurt und Drogenmißbrauch betrieben, bis Zed endlich Zeichentricknoten um die Nase fliegen. Der Überfall der verkaterten Bande geht dementsprechend schief. Bald ist alles ein blutiges Chaos, Eric entpuppt sich als unberechenbarer Psychopath, und der sanfte Zed trifft ausgerechnet seine heimliche Liebe vom Vorabend wieder: Das Call-Girl Zoe (Julie Delpy) ist tagsüber eine Bankangestellte.

27jährige Regisseure wie Roger Avary machen heutzutage keine Action-Filme mehr, ohne der Meinung zu sein, eine Message haben zu müssen. Schon der Titel ist bedeutungsschwanger: Schließlich heißt Zoe im Griechischen Leben. So meint der Debütant dann auch, einen Film über seine selbstredend verlorene Generation gemacht zu haben.

In Wirklichkeit hat er einen Film über einen Banküberfall gemacht, der höchstens die alte ,generationsübergreifende Leier erzählt, daß Geld allein nicht glücklich macht, Verbrechen sich nicht auszahlt, man Liebe sowieso nicht kaufen kann usw.

Was man „Killing Zoe“ zugute halten kann und sollte, ist, daß er dies nicht weinerlich moralisierend tut, sondern mit Karacho. Die zweite Hälfte ist ein einziger großer, wilder Showdown aus Blutlachen und Pulverdampf, der nicht nur für die unentschlossene Langatmigkeit der ersten Hälfte entschädigt, sondern auch tiefere Einblicke ins Innenleben der Charaktere bietet als all die anfänglichen Drogenexzesse und Männergespräche.

Daß die Charaktere nicht zu bloßem Kanonenfutter verkommen, verdankt der Film nicht zuletzt seiner Besetzung. Besonders Jean-Hugues Anglade, der in „Betty Blue“ und „Nikita“ eher den Netten gab, möchte man nicht nach dem Kino auf dem dunklen Heimweg begegnen. Eric Stoltz ist nachwievor der knuddelige Grunge-Teddybär, der er sogar als schmieriger Drogendealer in „Pulp Fiction“ war und wohl immer bleiben wird, und Julie Delpy ist wie geschaffen für die Rolle der Lichtgestalt zwischen Jungfrau und Hure, die den Grunge-Teddy sanft bei der Hand nimmt, um ihn in eine bessere Welt zu führen.

Andreas Neuenkirchen

täglich um 20.15 und 22.15 in der Schauburg

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