In Tschetschenien soll weiter verhandelt werden

■ Erste Gespräche zwischen den Konfliktparteien bisher jedoch ohne Ergebnis

Moskau (taz) – Wird der Krieg in Tschetschenien bald gestoppt oder noch auf Jahrzehnte hinaus ausgedehnt?“ hatten die russischen Massenmedien am Vorabend der ersten Grosnyer Verhandlungsrunde unter OECD- Dach am Donnerstag gerätselt. Teilnehmer waren nicht nur die russische Seite und die von ihr eingesetzte provisorische Regierung Umar Awturchanows, sondern auch Vertreter Dschochar Dudajews. Auf die anfangs erwähnte Frage konnte natürlich auch dieses Treffen keine Lösung liefern – nach 3 Stunden und 45 Minuten wurde es abgebrochen.

Sandor Meszaros, Chef der OECD-Mission in Tschetschenien, hatte am Ende den Eindruck, daß der Verhandlungsprozeß weitergehen würde, und zwar schon in den nächsten Tagen: „Alle sind bereit, in der nächsten Runde die Bedingungen eines Waffenstillstandes auszuhandeln.“ Der Unterhändler der tschetschenischen Separatisten, Usman Imajew, konstatierte, daß keinerlei Resultate erreicht worden sind und Moskau nicht bereit sei, „die Ermordung friedlicher Zivilisten“ zu beenden. Er fügte jedoch hinzu: „Es ist schon positiv, daß wir begonnen haben.“ Ähnlich sieht dies auch die russische Seite. Ministerpräsident Tschernomyrdin betonte, daß er Verhandlungen mit den Entscheidungsträgern der abtrünnigen Republik für sinnvoll erachte.

Eine Gruppe tschetschenischer Frauen, die dafür plädierten, den Kampf um jeden Preis weiterzuführen und ihre toten Familienmitglieder zu rächen, buhten Imajew wegen seiner Kompromißbereitschaft aus und jubelten dem russischen Unterhändler Nikolaj Semjonow ironisch zu.

Am Mittwoch veröffentlichte die Tageszeitung Kommersant das Ergebnis einer großangelegten soziologischen Umfrage im Auftrag des „Runden Tisches des Russischen Business“. In dem vor Statistiken strotzenden Werk „Die tschetschenische Krise“ wird festgestellt, daß sich bereits zu Beginn der 80er Jahre die Wirtschaft der Republik in zwei Sektoren teilte: Die erdölverarbeitende Industrie und der Maschinenbau seien in den Händen der Russen. Die Tschetschenen verfügten dagegen über landwirtschaftliche Kleinbetriebe. Die Autoren bestehen darauf, daß der „Wiederaufbau der sozialen Sphäre“ nur möglich sein wird, „sofern der Krieg beendet wird und sich legitime Machtorgane formieren“. Die Vorzüge der Untersuchung des Berichtes hält der Kommersant gleichzeitig für einen Nachteil: „Der Bericht ist zu genau und umständlich, als daß jene Leute, die die Entscheidungen fällen, in der Lage wären, sich dabei an ihm zu orientieren.“ Die Kämpfe rund um das Dorf Batschi- Jurt gingen auch am Wochenende weiter. Barbara Kerneck