■ Möllemann will FDP-Parteichef werden, Gerhardt auch
: Die 20-Prozent-Partei

Ach, EfDePeh! O Möllemann, Jürgen W.! Glaubt jemand im Ernst, es mache einen großen Unterschied, ob ein ungewisser Herr Gerhardt oder ein gewisser Herr Möllemann Parteichef wird? Der eine ist ausgestattet mit dem seltenen Vorzug, eine Wahl (in Hessen) nicht verloren zu haben. Der andere hat den Vorteil, schon vor der verlorenen Wahl (in Nordrhein- Westfalen) aus dem Parteiamt gejagt worden zu sein. Gerhardt besticht durch Langeweile, Möllemann düpiert mit Geschwätzigkeit. Immerhin: Möllemann kann Fallschirm springen, von dem hessischen Freidemokraten ist dergleichen dagegen nicht bekannt. Da allerdings die Mehrheit aller Freidemokraten am Boden zerstört ist, werden sie wohl auf dem Parteitag im Juni eher ihresgleichen wählen: Gerhardt also.

Die Alternative Gerhardt oder Möllemann dokumentiert eindrücklich, über welch großartiges personelles Reservoir die FDP verfügt. Politische Vollprofis! Langjährige Erfahrung! Wirtschaftspolitische Lenker! Einkaufswagenspezialisten! Joschka Fischer erbleicht, wenn er nur daran denkt, mit wem die FDP so alles aufwarten kann. Da ist Günter Rexrodt, ein Wirtschaftsminister mit der Fortune eines Beerdigungsunternehmers ohne Todesfälle, Hermann Otto Solms, der Fraktionschef in Bonn, dessen Charisma nur noch von Rudolf Scharping überboten wird. Und Klaus Kinkel, der der Außenpolitik seinen wuchtigen liberalen Stempel aufdrückt und sich erfolgreich gegen Kohls Einmischungsversuche behauptet!

Warum, so fragt man sich da, erreicht diese Partei nicht mindestens 20 Prozent der Wählerstimmen? Weshalb wendet sich das Wahlvolk den gefährlichen Grünen zu, die die Nato wenn nicht abschaffen, so doch ummodeln und die Zahnärzte höher besteuern wollen? Am Personal kann's nicht liegen – also offenbar am Programm. Tatsächlich sollte sich die FDP noch deutlicher von der Union absetzen. Wenn Helmut Kohl ständig doppelte Staatsbürgerschaften verlangt, kann das nur heißen, daß die FDP dagegen sein muß. Weil Schäuble den Großen Lauschangriff verhindert, müssen die Liberalen ihn jetzt durchsetzen. Da die CDU sich inzwischen zum Büttel jeder Minderheit machen läßt, egal ob Schwule, Ehegegner oder Fahrradfahrer, kann die FDP nur in entschiedener Gegnerschaft zu den christlichen Systemveränderern reüssieren.

Und da Wolfgang Gerhardt als ausgewiesener Wirtschaftsliberaler für diesen Kurs steht und Jürgen W. Möllemann sowieso macht, was am meisten verspricht, fällt es wirklich schwer, sich zwischen diesen beiden Kandidaten zu entscheiden. Es ist aber auch völlig gleichgültig. Klaus Hillenbrand