■ Fundierte Kunde vom künstlerischen Wirken im Tierreich
: Warum Katzen malen

Etwa Princess. Sie ist erst neun und gilt als „elementare Fragmentistin“. Ihr zentrales Werk heißt „Regelmäßig verspottete Nagetiere“ (1993, Tusche auf Papier, 52 x 83 cm) und besticht, loben Kritiker, durch „totemhafte Schlichtheit“. Oder der getigerte US-Kater Pepper, der seine große Karriere durch „eine eigenwillige Komposition mit Feuchtigkeitscreme auf dem Spiegel eines Toilettentischs“ begann und später grellbunte „egozentrische Selbstportraits“ fertigte. Das farbenprächtige Hauptwerk von Minnie Monet Manet aus Lyon, einer „abstrakten Expressionistin“, heißt „Drei blinde Mäuse“ und entstand nach „stundenlanger Meditation in den Weinbergen der Provence“. Ginger („Neo- Synthetikerin“) arbeitet ausschließlich mit parfümierter Acrylfarbe, und Transexpressionist Bootsie schafft durchweg im Springen, was dynamische „Gemälde von erfrischender Unmittelbarkeit“ entstehen läßt.

Kein Zweifel: Unter Katzen und Katern gibt es unzählige Malschulen und künstlerische Intentionen. Von wegen Samtpfoten würden nur schnurren und miauen und unzähmbar sein. Ein großes Kapitel in der Katzenforschung ist jetzt durch die ambitionierte Arbeit aus Neuseeland geschlossen worden: „Warum Katzen malen“. Die wunderbar schwülstige Sprache, voller kleiner Anspielungen und Sottisen, wirkt wie eine Parodie auf das Gelaber des Kulturbetriebs und die verknotete Wortwahl heutiger Wissenschaft. Doch eine umfassende Dokumentation (mit brillanten Fotos) braucht kulturelle Interpretation genauso wie historische Exaktheit.

Pfote statt Pinsel wurde schon 3000 vor Christus benutzt, wie die malende Lapislazuli-Katze auf einer altägyptischen Papyrusrolle belegt. Abgebildet sind alte Tarotkarten mit Motiven malender Katzen, schöpferische Klosterkatzen, „die als Botschafter Gottes verehrt“, später auf Gobelinkissen verewigt wurden und auf Revueplakaten der Jahrhundertwende.

Und Katzen können seit jeher grausam sein und einfallsreich: Eine jetzt entdeckte Illustration aus dem Mittelalter zeigt eine Katze im Alchimistenlaboratorium, „die eine Ratte vor sich hält und deren Hinterbeine so fest zusammendrückt, daß ihr das Blut aus dem Maul schießt, damit sie die Ratte als Malpinsel benutzen kann“ (leider ohne Abbildung im Buch).

Engagiert wird die vordergründige Theorie der Verhaltensforscher widerlegt, Katzen malten nur zur Reviermarkierung. Vielmehr, lesen wir, ist Katzenmalerei meist künstlerisch bedingt und „eine wohldurchdachte Form der Kommunikation“. Auch Kunstbanausen unter den Menschen können „erste ästhetische Ansätze“ schon „im Muster von Pfotenspuren in Katzenstreu“ erkennen.

Im englischsprachigen Raum, wo „Why Cats Paint“ bereits ein Riesenerfolg ist, kam es zum Streit. Ein promovierter Kulturhistoriker der renommierten Londoner Sunday Times lobte zwar die „epochale Studie“, kritisierte indes die fehlende kulturgeschichtliche Balance des Werkes. Fast völlig fehle die Katzenmalerei der Renaissance, und die großen Katermeister der klassischen Moderne, all die Surrealisten und Kubisten unter den Pfotisten, seien ausgespart worden – so als hätte es einen Miautisse und Pawcasso nie gegeben! Was wiederum die Boulevardzeitung Sun zur ernsten Replik anleitete, das Buch sei doch bloß Satire – hahaha, wie die große Times da nur habe drauf reinfallen können...

Gewarnt werden muß vor häuslichen Verifikationsversuchen. Wenn Ihre Miezepussi zu Hause partout nicht malen möchte, keine Sorge: Es greift ja auch nicht jeder Mensch zum Pinsel. Im Serviceteil wird für Fortgeschrittene auf ein Werk von Order Press, New York, erschienen 1989, hingewiesen: „Denis, M., Kreative Pfoten. Wie Sie Ihrer Katze helfen können, eine bessere Technik zu entwickeln.“

Doch es gibt auch noch andere Formen, wie sich Katzen künstlerisch ausdrücken: Sie setzen „Claw marks“ – vorzugsweise an Sessellehnen, aber auch wie Fritz auf bemaltes Metall. Oder Angel. Sie zer-, nein bekratzt am liebsten wuchtige Holzpfähle in der freien Natur und macht so aus einem simplen Wiesenzaunpfahl eine Skulptur, die jedermann jederzeit bewundern kann.

Bleibt die Frage: Sitzen die beiden pfiffigen AutorInnen nach diesem umwerfend komischen und perfekt ausgeheckten Buch schon am nächsten Kunst-×uvre – diesmal vielleicht, ebenso marktträchtig, über Hunde? Die mit forscherischer Akribie zusammengetragene Bibliographie belegt die Vergeblichkeit: „Wunderlich, R.: Warum Hunde nicht malen. Princeton, 1993“. Aber wie wäre es mit: Warum Bello bildhauert. Oder: Wie Rösser musizieren. Derzeit ist noch Miau- Opus II in Arbeit: Waurum Katzen bellen. Bernd Müllender