■ Die UN darf die ostbosnischen Enklaven nicht aufgeben
: Auf Luftangriffe verzichten

Im Umgang der internationalen Staatengemeinschaft mit dem Konflikt in Bosnien wird sich auch weiterhin nichts Wesentliches ändern. Darauf lassen zumindest die Ergebnisse der jüngsten Beratungen von Nato, EU und Kontaktgruppe schließen. Nichts außer unverbindlichen Ankündigungen zur Stärkung der Unprofor, höflichen und fristlosen Auffordungen an die Karadžić-Serben, doch bitte ihre über 400 UNO- Geiseln freizulassen, und schließlich die Beschwörung diplomatischer Bemühungen um eine Anerkennung Bosnien-Herzegowinas durch den serbischen Präsidenten Milošević. Bemühungen, von denen all die in Brüssel, Den Haag und Nordwijk versammelten Außenminister genau wissen, daß sie längst gescheitert sind.

Allerdings scheinen Frankreich, Großbritannien und Rußland bereit, den von ihren serbischen Belagerern ausgehungerten 200.000 Muslimen in den drei ostbosnischen Enklaven Srebrenica, Zepa und Goražde durch Abzug der bislang dort stationierten Unprofor-Einheiten auch noch den letzten verbliebenen Schutz zu entziehen.

Die jüngste Geiselnahme von britischen und ukrainischen Blauhelmen bei Goražde und Srebrenica dient den Befürwortern eines Abzugs der Unprofor aus Ostbosnien als zusätzliches Argument. Die USA können sich hierüber zwar lautstark moralisch empören, haben aber mangels eigener Beteiligung an der Unprofor kaum Einfluß auf Entscheidungen über die Zukunft der UNO-Truppen.

Schon jetzt verhindern die Karadžić-Serben sämtliche humanitären Lieferungen in die drei Enklaven. Mit einem Rückzug der Unprofor-Truppen würde ein neuer Akt des Völkermordes und der Massenvertreibung drohen. Zudem würde der Abspaltung dieser ostbosnischen Region und ihrer Angliederung an Serbien Vorschub geleistet.

Diese Entwicklung ließe sich nur verhindern, wenn die Unprofor-Einheiten in Ostbosnien nicht abgezogen, sondern verstärkt würden. Dies wird nur möglich bei einer Deeskalation der derzeitigen Situation und nach einer Freilassung aller Unprofor-Geiseln der Karadžić-Serben.

Um dies zu erreichen, sollten UNO und Nato die Drohung mit weiterern Luftangriffen offiziell zurücknehmen. Die Aufrechterhaltung dieser Drohung erfüllt keinerlei positive Funktion. Sie dient lediglich zur Demonstration von „Festigkeit und Entschlossenheit“, die tatsächlich nicht existieren, und zur „Wahrung von Glaubwürdigkeit“, die längst völlig verloren wurde. Andreas Zumach