Die Weiber aus dem Osten spinnen

Fünf Jahre lang kämpfte Dorothee Dubrau darum, die Stadtmitte für ihre Bewohner zu erhalten / Nun ist die bündnisgrüne Baustadträtin Opfer eines machtpolitischen Kalküls von SPD und PDS geworden  ■ Von Uwe Rada

Wird sie auf ihren Einstand als Baustadträtin in Mitte angesprochen, erzählt Dorothee Dubrau gerne eine Anekdote. 1990 sei sie zu einer Runde mit dem Senatsausschuß für innerstädtische Investitionen zusammengekommen und hätte sich dort für Wohnungsbau in der Friedrichstraße eingesetzt. „Daraufhin haben sich die Herren von der Treuhand an die Stirn gefaßt und gesagt, die Weiber aus dem Osten müssen spinnen“, sagt Dorothee Dubrau und lacht. Heute ist der Wohnungsbau in der Hauptstadtmitte kein Tabu mehr. Für die gelernte Architektin ist das auch das Ergebnis eines zähen Ringens mit den Investoren. „Ohne diese Auseinandersetzungen“, ist sie sich sicher, „gäbe es heute keinen Konsens darüber, daß auch in Mitte eine kleinteilige Planung und eine Nutzungsmischung aus Büros, Wohnungen, Kultur sowie eine sozialverträgliche Sanierung notwendig sind.“

Mit der Entmachtung Dorothee Dubraus am Dienstag wurde dieser Konsens in Frage gestellt. Offiziell begründet wurde der überraschende Coup des SPD-Bürgermeisters Gerhard Keil, mit Hilfe der PDS-Stadträtinnen die Verantwortung für Baugenehmigungen künftig dem CDU-Stadtrat Joachim Zeller zu übertragen, mit einer Beschleunigung der Bauanträge. Daß Dorothee Dubrau keinesfalls eine „Investitionsverhinderin“ ist, wie von der SPD in Mitte lanciert, darauf wies sogar Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) hin. Doch die Kritik Nagels, der den Schritt seines Parteifreundes Keil „unverständlich“ und Dorothee Dubrau „keineswegs investorenfeindlich“ findet, trifft nicht den Kern. Nicht um den richtigen Ton im Umgang mit den Investoren ging es beim Putsch in Mitte, sondern um den richtigen Zugang zur Macht.

„SPD und PDS liegen im Ehebett, die CDU hält die Laterne“, nannte das Bündnis Mitte gestern die Entmachtungskoalition im Berolina-Haus. Für die Alternativen liegt es auf der Hand, daß die Entmachtung Dubraus einem machtpolitischen Kalkül entspringt. „Die Bündnis-Baustadträtin muß weg“, meint die grüne Fraktionssprecherin Rita Keil, „da nach der Wahl die wichtigsten Bezirksamtsposten zwischen SPD und PDS aufgeteilt werden sollen.“ Nur noch fünf statt bislang sieben Stadtratsposten sind ab Oktober zu vergeben. Schon jetzt, so das Bündnis, hätte sich die SPD mit der PDS darauf geeinigt, den SPD-Kandidaten wieder zum Bürgermeister zu wählen und den Genossen der PDS im Gegenzug den Stadtratsposten zu überlassen.

Zwar dementierte die PDS- Fraktionssprecherin Jastrzembski umgehend und verwies darauf, daß man in Mitte selbst den Bürgermeister stellen wolle. Doch auch in der PDS selbst gilt die „Funktionspartei in Mitte“ in ihrer Machtpolitik als unberechenbar. Ein Vertreter der PDS Prenzlauer Berg nannte die Abwahl Dubraus gestern ein „politisches Dummenstück“, weil in der Sache schädlich.

Die „Sache“, das ist vor allem die Unermüdlichkeit, mit der Dubrau sich im täglichen Ringen mit den Investoren für Wohnungsbau, öffentliche Sanierung und eine Mischung in der innerstädtischen Nutzung einsetzte. Erst vor kurzem wurden für die Friedrich- Wilhelm-Stadt und die Rosenthaler Vorstadt Erhaltungssatzungen bestätigt, in der Friedrichstadt und Dorotheenstadt steht ein solcher Schritt kurz bevor. Damit hat das bezirkliche Bauamt, entsprechenden politischen Willen vorausgesetzt, weitaus bessere Möglichkeiten, sich für den Erhalt abrißgefährdeter Gebäude einzusetzen als bisher. Daß in der Öffentlichkeit überhaupt eine Sensibilität für die Abrißwut privater Investoren geschaffen wurde, ist nicht zuletzt Dorothee Dubrau zu verdanken. Sie war es, die im vergangenen Jahr ein ums andere Mal auf die Abrißproblematik hingewiesen hatte. „Nicht ohne Erfolg“, wie sie meint. Mit dem vor kurzem verabschiedeten Denkmalschutzgesetz, so Dubrau, sei „die Abbruchära ein Stück weit gestoppt worden“.

Jene, deren Scharfblick für die Baupolitik in Mitte bei der Frage Palastabriß oder -erhalt zu Ende ist, mögen ihre Stadt den Interessen der Bundesregierung einerseits und der Investoren andererseits geopfert sehen. Doch es hätte noch schlimmer kommen können. Für Dorothee Dubrau stand von Anfang an fest, sich dafür einzusetzen, daß im Bezirk Mitte, anders als in manch anderer europäischer Großstadt, auch Bewohner mit niedrigen Einkommen weiter wohnen werden. Mit der Festlegung der Sanierungsgebiete Spandauer Vorstadt und südliche Brunnenstraße, für die sich die Betroffenenvertretungen und Dubrau immer wieder eingesetzt haben, ist ein erster Schritt erreicht – und von der PDS nun mit der Delegierung des Stadtplanungsamtes an die CDU wieder aufs Spiel gesetzt worden.

Gegen Abriß und für Sanierung hatte sich das frühere SED-Mitglied Dubrau auch schon zu DDR- Zeiten eingesetzt. Für die Bürgerinitiative Luisenstraße kandidierte sie schließlich zur Kommunalwahl 1990. Es waren nicht die Grünen, die ihr zunächst den Posten als Baustadträtin angedient haben, sondern die PDS. Daß ein solches Amt nur so gut ist wie der, der es füllt, hat sie im Lauf der vergangenen fünf Jahre lernen müssen. Und auch, daß „Niederlagen“ wie der Abriß des Rosmarin-Karrees mit zum Geschäft gehören.

Daß die Arbeit Dubraus nun einem machtpolitischen Kalkül geopfert wurde, verbittert die gelernte Architektin. Zumal sie als eine der wenigen Frauen im Baubereich tätig war. Kompetenz, sagt sie, läßt sich durch eine Quotenregelung nicht einfach ausgleichen. Das gilt um so mehr, als auch in der PDS hinter vorgehaltener Hand eingeräumt wird, daß man derzeit nicht wisse, wer in der selbsternannten „Mieterpartei“ überhaupt in der Lage wäre, den begehrten Posten auszuüben.

Dubrau, die bei den Kommunalwahlen im Oktober als Spitzenkandidatin für das Bündnis Mitte ins Rennen geht, will „um der Sache willen“ die fünf Monate bis zur Wahl im Amt bleiben und hat Einspruch gegen die Entscheidung des Bezirksamts eingelegt. Bei der nächsten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am 8. Juni will das Bündnis Mitte außerdem beantragen, Dubrau mit sofortiger Wirkung wieder in alle ihre Ämter einzusetzen. Die PDS hat dann die Wahl, ihren wohnungspolitischen Offenbarungseid einzugestehen und im Bezirksamt dafür zu sorgen, ihre Zustimmung vom Dienstag rückgängig zu machen, oder sie steht zu ihrem „politischen Dummenstück“. Als „Mieterpartei“ wird sie dann im Wahlkampf aber nicht antreten können.