Für die Abschaffung der Todesstrafe

■ Der ehemaliger Black Panther Mumir Abu-Jamal ist von Hinrichtung bedroht

Anfang dieses Jahres fand im US-Bundesstaat Pennsylvania die erste Hinrichtung seit 1962 statt. Am 2. Mai wurde der 39jährige Keith Zettelmoyer, der wegen Mordes zum Tode verurteilt war, nach 15 Jahren im Todestrakt mit einer sogenannten „Todesspritze“ hingerichtet. Von der langjährigen Haftzeit und dem Warten auf die Hinrichtung zermürbt, hatte Zettelmoyer seine letzten juristischen Möglichkeiten, die Hinrichtung aufzuschieben, freiwillig ungenutzt gelassen. Nach Ansicht der TodesstrafengegnerInnen in Pennsylvania hat diese Hinrichtung eine fatale Signalwirkung. Mit jeder Hinrichtung tritt in der Öffentlichkeit der Gewöhnungseffekt ein. Der Law-and-order-Fanatiker Thomas Ridge hatte schon im ersten Monat seiner Amtszeit den Hinrichtungsbefehl für Zettelmoyer und drei weitere Gefangene unterzeichnet. Der Gouverneur hält die Vollstreckung von Todesurteilen für einen wesentlichen Bestandteil seines „Krieges gegen die Kriminalität“. Unter Verweis auf die Tatsache, daß sich Pennsylvania mit 187 Gefangenen „on death row“, gemessen an der Anzahl der Todesstrafengefangenen, US-weit an vierter Stelle befindet, hatte Ridge bei seinem Amtsantritt erklärt, die Fälle von mindestens 100 Todesstrafengefangenen auf eine baldige Hinrichtungsmöglichkeit zu überprüfen. Ende Januar brachte er dann im Abgeordnetenhaus ein Paket von „Antikriminalitätsgesetzen“ ein. Das sieht unter anderem vor, daß zwischen der Unterzeichnung des Hinrichtungsbefehls und der Hinrichtung nur noch 30 Tage liegen dürfen (bisher 90 Tage). Die Todesstrafengefangenen und ihre Anwälte haben damit nur noch 30 Tage, um vor Gericht einen Aufschub der Hinrichtung zu beantragen. Ein weiterer Zusatz im Gesetz sieht vor, daß in Zukunft nicht nur der Gouverneur, sondern auch der oberste Leiter der Gefängnisbehörde von Pennsylvania die Hinrichtung eines Gefangenen anordnen kann, wenn der Gouverneur die 30-Tage-Frist verstreichen läßt, ohne ein Datum für die Hinrichtung festzulegen. Mit diesen „Reformen“ hat der Gouverneur seine Prioritäten bei der Bekämpfung der wachsenden Verarmung, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit in Pennsylvania deutlich gemacht. Wie die meisten US-Politiker setzt er auf die Todesstrafe, den Bau neuer Knäste in strukturschwachen Regionen und den Ausbau der Polizei. Auch in Pennsylvania sind Hautfarbe und Herkunft ein entscheidender Faktor auf dem Weg in den Tod. African Americans stellen dort 61 Prozent der Todeskandidaten, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung des Bundesstaates bei acht Prozent liegt. Zu denjenigen, die ganz oben auf der Todesliste stehen, gehört der ehemalige Black Panther und bekannte schwarze Journalist Mumia Abu-Jamal. Für Gouverneur Ridge bedeutet die Hinrichtung von Abu-Jamal die Erfüllung eines Wahlkampfversprechens. Die Polizeigewerkschaft FOP fordert schon seit Jahren Abu-Jamals sofortige Hinrichtung. Len Weinglass, Abu-Jamals Rechtsanwalt, befürchtet, daß eine Unterzeichnung des Hinrichtungsbefehls jederzeit möglich ist. „Sobald der Hinrichtungsbefehl unterschrieben ist, werden wir zwei Anträge bei den Gerichten einreichen“, erklärte Rechtsanwalt Weinglass vor kurzem. „Zum einen werden wir einen Wiederaufnahmeantrag stellen. Das bedeutet, daß wir bei dem Richter, der Mumia verurteilt hat, ein neues Verfahren beantragen müssen. Zum anderen werden wir vor dem Obersten Gerichtshof von Pennsylvania einen Aufschub der Hinrichtung und eine Überprüfung des Strafmaßes beantragen. Bis jetzt war es immer so, daß der Oberste Gerichtshof derartigen Anträgen stattgegeben hat. Und solange, wie diese Anträge vor Gericht anhängig sind, soll ein Hinrichtungsbefehl auch nicht vollstreckt werden.“ Rechtsanwalt Weinglass geht davon aus, daß sowohl der Wiederaufnahmeantrag als auch der Antrag zur Überprüfung des Strafmaßes durch mehrere Instanzen bis zum „Supreme Court“, dem Obersten Gerichtshof der USA, gehen werden. Mit der Unterzeichnung des Hinrichtungsbefehls beginnt für Mumia Abu-Jamal, allerdings der „Countdown zur Hinrichtung“.

Hinzu kommt, daß Mumia Abu- Jamal Anfang Januar 1995 in einen neuen Hochsicherheitsknast im ländlichen Westen Pennsylvanias verlegt wurde. In diesem Knast, „SCI Greene“, befindet sich ein besonderer Insolationstrakt, in den langfristig alle Todeskandidaten des Bundesstaates verlegt werden sollen. Abu-Jamals Haftbedingungen haben sich durch seine Verlegung erheblich verschlechtert; unter anderem sind seine Besuchszeiten auf zwei Stunden pro Woche reduziert worden. Obwohl die Besuche weiterhin nur mit Trennscheibe stattfinden, werden seine Hände darüber hinaus mit Handschellen an einen Bauchgurt gefesselt, und er muß Fußfesseln tragen. Ansonsten ist Abu-Jamal 23 Stunden am Tag in seiner Zelle eingeschlossen. Ein positiver Schritt für Jamal ist allerdings die Veröffentlichung seines Buches „Live on Death Row“ durch den bekannten New Yorker Verlag Addison & Wesley vor wenigen Wochen. Das Erscheinen des Buches war bis zur letzten Minute unsicher, da die Polizeigewerkschaft versucht hatte, durch einstweilige Verfügungen vor Gericht eine Auslieferung zu verhindern. Die Polizeigewerkschaft und mehrere Landtagsabgeordnete versuchen jetzt, eine Gesetzesinitiative durchzusetzen, nach der Abu-Jamal alle Honorare für seine journalistische Arbeit an einen Fonds für „Angehörige von Opfern von Gewaltverbrechen“ zahlen müßte. Allerdings hat die Hetze der Polizeigewerkschaft gegen „den schreibenden Cop-Killer“ auch eine größere Unterstützung für ihn in der Öffentlichkeit mobilisiert. So fand unter anderem in New York eine öffentliche Lesung des Buches mit bekannten AutorInnen und SchauspielerInnen wie Alice Walker und Ed Asner vor mehreren hundert ZuhörerInnen statt. Die deutsche Ausgabe des Buches wird im Juni bei Agipa- Press in Bremen erscheinen.

Angesichts der eskalierten Situation für Abu-Jamal, aber auch für alle anderen Todesstrafengefangenen in Pennsylvania, hat es seit Anfang des Jahres auch eine Reihe von internationalen Solidaritätsaktionen gegeben. So beteiligten sich Ende März mehrere hundert Menschen bei einem Aktionstag an Kundgebungen vor US-Konsulaten und Botschaften in zehn bundesdeutschen Städten. Für den 3. Juli, den 14. Jahrestag der Verurteilung Abu-Jamals, ruft dieses Bündnis erneut zu einem Aktionstag unter dem Motto „Für das Leben von Mumia Abu-Jamal – Für die Abschaffung der Todesstrafe“ auf.

Sowohl Abu-Jamal als auch sein Rechtsanwalt haben in den letzten Monaten noch einmal die Bedeutung internationaler Solidaritätsaktionen betont. In einem Brief von Ende Dezember schrieb Abu- Jamal unter anderem: „Ich habe gar keine andere Wahl, als zu kämpfen. Und so, wie ich in der Vergangenheit gekämpft habe, werde ich es auch in Zukunft tun. Ich lade Euch dazu ein, diesen Kampf gemeinsam zu führen. Ein alter Genosse von den Panthers hat einmal gesagt: ,Repression erzeugt Widerstand. Wir haben genug Repression. Laßt uns jetzt den Widerstand aufbauen.‘“ Heike Kleffner