Die Golan-Siedler sind verunsichert

Die israelisch-syrischen Verhandlungen werden wieder aufgenommen / Oppositionspolitiker machen Solidaritätsbesuche in den Siedlungen / Vorbereitungen für ein Referendum  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die israelischen Siedler auf den Golanhöhen sind verunsichert. Bereits jetzt versuchen viele, bei Behörden und über Anwälte zu klären, welche Rechts- und Entschädigungsansprüche sie geltend machen können, wenn Israel das Gebiet im Rahmen eines Friedensabkommens an Syrien zurückgibt und zumindest einige der Kolonien aufgelöst werden. Ungeachtet aller politischen Meinungsverschiedenheiten sind sich die Golan-Siedler in einem Punkt einig: Sie erwarten von der Regierung eine schnelle und eindeutige Klärung ihrer persönlichen Zukunft.

Die jüngsten Nachrichten über eine Wiederaufnahme der vor einem halben Jahr unterbrochenen israelisch-syrischen Militärverhandlungen in Washington haben zu einer neuen Welle von Protestaktionen der Siedler gegen einen israelischen Rückzug und eine Räumung des Golan geführt. Besonders die rechten Oppositionsparteien legen sich mächtig ins Zeug. Immer wieder statten die Führer des Likud und der Tzomet- Fraktion des ehemaligen Generalstabschefs Rafael Eitan den Golan-Siedlern Solidaritätsbesuche ab und rufen zum allgemeinen Widerstand gegen jedweden Rückzug vom Golan auf. Am Sonntag warnte Likud-Führer Benjamin Netanjahu die Kibbuzmitglieder im Golan, die bei den letzten Wahlen mehrheitlich für die Arbeitspartei gestimmt hatten, vor „Rabins Ausverkauf“. Angeblich gehen die Verhandlungen der Regierung bereits „weit über den Golan hinaus und betreffen die Demilitarisierung von Teilen Galiläas im israelischen Kernland“, so Netanjahu.

Die Opposition ruft die Knessetabgeordneten der regierenden Arbeitspartei auf, einen Gesetzentwurf zu unterstützen, der eine qualifizierte Mehrheit für Änderungungen des Golan-Gesetzes aus dem Jahr 1981 notwendig macht. Das Gesetz von 1981 kommt einer Annektierung des Golan durch Israel nahe.

Staatspräsident Ezer Weizman, der am Montag eine Siedlerdelegation aus dem Golan empfing, erklärte, er habe volles Verständnis für die Gefühle der Siedler und unterstütze ihr Recht auf Verteidigung ihres Standpunkts. So bestehen die Siedler auf einem Referendum über alle Einzelheiten eines künftigen israelischen Abkommens mit Syrien. Zwar bereitet die Regierung von Ministerpräsident Jitzhak Rabin eine entsprechende Volksabstimmung bereits vor. Rabin neigt jedoch nicht dazu, die Bevölkerung zu einzelnen Details des Vertrags zu befragen.

Das Referendum wäre das erste in der Geschichte Israels. Allein die Vorbereitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs dürfte eine langwierige und heiß umstrittene Angelegenheit werden. Rabin hat sich bereits zu Beginn der Kontroverse über eine eventuelle Rückgabe von besetzten Golan-Gebieten an Syrien verpflichtet, alle praktischen Schritte vom Resultat einer Volksbefragung abhängig zu machen. Die Regierung geht dabei von der Annahme aus, daß schließlich eine Mehrheit der Israeli „wenn es wirklich darauf ankommt“, auf jeden Fall und fast um jeden Preis für Frieden mit Syrien stimmen wird.

Daß es aber längst noch nicht so weit ist, betonte Rabin am letzten Sonntag vor der Knessetfraktion seiner Arbeitspartei. Zur Unterzeichnung eines Friedensabkommen mit Syrien könne es nur dann kommen, so Rabin, wenn die bevorstehenden Verhandlungen zu einer Einigung über die weiterhin umstrittene Grenzfrage und die Phasen eines israelischen Rückzugs führen. Israel besteht auf einer dreijährigen „Pause“ nach einem ersten geringfügigen Teilrückzug, der eventuell mit der Räumung einer einzelnen jüdischen Siedlung einhergehen soll. Demgegenüber fordert Syrien einen Abzug innerhalb von 18 Monaten.

Zwischen den Rückzugsphasen soll der bilaterale Normalisierungsprozeß, zu dem sich Syrien erst noch verpflichten muß, eingeleitet werden. Außerdem, so betonte Rabin, muß es noch vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags ein Abkommen über zukünftige Sicherheitsvorkehrungen im Golan geben. Und dieses Problem steht jetzt im Vordergrund des Verhandlungsprozesses.

Die Frage ist, ob all dies noch vor den Wahlen in Israel im Herbst kommenden Jahres durchführbar ist, zumal dann auch noch in den USA ein neuer Präsident gewählt wird. In Washington und Jerusalem ist man bemüht, der syrischen Regierung die Risiken einer unsicheren und potentiell gefährlichen Zukunft vor Augen zu führen, und Präsident Hafez Assad zur Eile bei Verhandlungen anzuhalten, die bereits seit 1991 im US-Außenministerium und mit ständiger amerikanischer Vermittlung im Gange sind. Nach Vorstellung der US- Administration soll zumindest das „Gerüst“ eines israelisch-syrischen Vertrags noch vor dem Jahreswechsel unter Dach und Fach sein.

In diesem Zusammenhang waren Rabin und der syrische Außenminister Faruk ash-Sharaa vor kurzem nach Washington geladen; und der US-Sonderbeauftragte für die Friedensverhandlungen, Dennis Ross, wird demnächst in Jerusalem und Damaskus erwartet. Schließlich plant der amerikanische Außenminister Warren Christopher eine weitere Nahostreise, die noch in der ersten Junihälfte stattfinden soll, damit der Erfolg der neuen und vielleicht entscheidenden israelisch-syrischen Verhandlungsrunde in Washington im voraus sichergestellt ist.