„Es ist das absolute Minimum“

■ Ex-Geheimdienstchef Manuel Contreras in Chile zu sieben Jahren Haft verurteilt / Er erkennt das Urteil nicht an

Santiago de Chile (taz) – Tagelang war die Urteilsverkündung immer wieder verschoben worden – am Dienstag abend war es dann soweit: Als Urheber des Mordanschlages gegen den ehemaligen Außenminister der Regierung Allende, Orlando Letelier, werden der ehemalige Leiter des chilenischen Geheimdienstes der Diktatur (DINA), General Manuel Contreras, und der ebenfalls der DINA angehörige Brigadegeneral Pedro Espinoza zu sieben und sechs Jahren Haft verurteilt. Obwohl beide sich auch weiterhin als unschuldig bezeichnen, sah es das Gericht als erwiesen an, daß Contreras und Espinoza den Bombenanschlag planten und organisierten, dem Letelier und seine US-amerikanische Begleiterin Ronnie Moffit am 21. September 1976 in Washington zum Opfer fielen. Damit bestätigte die Kammer das Urteil der ersten Instanz vom 15. November 1993. Eine weitere Berufung ist nicht mehr möglich.

Juan Pablo Letelier, der Sohn des Ermordeten, zeigte sich zufrieden über das Urteil. „Mit diesem Tag steht fest, daß Manuel Contreras und Pedro Espinoza Kriminelle sind“, sagte Letelier, „damit kann in Chile endlich wieder weiß genannt werden, was weiß ist, und schwarz, was schwarz ist“. Und Rechtsanwalt Juan Bustos, der die Familie Letelier vertrat, hob hervor, das Urteil erkenne an, daß die DINA eine Folter- und Terrororganisation war. Er sei sich auch sicher, sagte Bustos, daß das Urteil tatsächlich vollstreckt und Contreras ins Gefängnis gehen werde.

Das sieht der General ganz anders. „Ich werde in überhaupt keinerlei Gefängnis gehen“, versicherte Contreras von seinem weitläufigen Landsitz in der südchilenischen Region Fresia aus. Es gebe keinen einzigen Beweis gegen ihn, das Attentat gehe eindeutig auf Kosten der US-amerikanischen CIA, und überhaupt werde er kein Gerichtsurteil in einem Land akzeptieren, wo schon wieder Teile des marxistischen Gesocks' mitregierten, die das Land schon einmal in den Untergang getrieben hätten, wenn die Streitkräfte nicht mit den heldenhaften Taten vom 11. September 1973, dem Putsch, eingegriffen hätten.

Bleibt der General bei seiner Haltung, müßte er von der Polizei gewaltsam verhaftet werden, und das kann sich noch kaum jemand so richtig vorstellen. Uniformträger gegen Uniformträger – das wäre neu. Noch steht eine offizielle Reaktion der Armee auf das Urteil aus. In der vergangenen Woche hatte sich der Generalstab gleich mehrmals zu Sondersitzungen getroffen und sein „Unwohlsein“ über die bevorstehende Verurteilung ausgedrückt, hohe Offiziere hatten Contreras auf seinem Landsitz aufgesucht. Bis zum Schluß hatten viele daran gezweifelt, ob die Richter diesem offenkundigen Druck standhalten würden. So ist es nicht verwunderlich, daß auch die Menge, die vor dem Gerichtsgebäude Plakate mit der Aufschrift „Chile braucht Gerechtigkeit“ hochhielt, mit gemischten Gefühlen reagierte. „Es ist das absolute Minimum“, sagte eine Frau, „aber mehr war eben nicht möglich“. Bernd Pickert

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