Bitte recht freundlich beim Festnehmen

In Brandenburg lernen Polizisten in einem interkulturellen Training den staatsbürgerlichen Umgang mit ausländischen Delinquenten / Das Zauberwort lautet Deeskalation  ■ Aus Basdorf Annette Rogalla

Was macht Polizeikommissar Jörg Gauger aus Potsdam, wenn er einen Mann in Gewahrsam nehmen muß, der einen Turban trägt und der kein Wort Deutsch versteht? Polizist Gauger sinnt tief darüber nach, wie er „das Ding von dem seinem Kopf kriegt, denn darunter könnte der Muslim ja ein Messer haben“. Vor drei Tagen wäre alles noch einfach gewesen. Jörg Gauger hätte dem Mann auf deutsch gesagt, was er will, den Turban gelüpft und nichts außer Haare darunter gefunden. Der Mann hätte verständnislos und beleidigt geguckt und wäre in die Zelle gegangen.

Nun muß Jörg Gauger auch ganz anders können. Schließlich hat er gestern mit Bravour sein „Interkulturelles Training für Angehörige der Polizei“ absolviert. „Ich habe den Muslim zu achten“, lautet die neuerlernte Handlungsmaxime. Sollte die konstruierte Situation einmal in seinem Revier auftreten, dann weiß Jörg Gauger, wie er zu reagieren hat. „Ich rufe einen Dolmetscher.“ Bis der da ist, vergehen oft Stunden. „In dieser Zeit setze ich mich mit drei anderen Polizisten neben den Mann. Wir bewachen ihn solange, bis der Dolmetscher übersetzt, was wir wollen.“ Am Turban würden sie nicht rühren. Das verbietet der neuerlernte Respekt vor der fremden Kultur und deren Religion. Ehrenwort.

Drei Tage lang haben Jörg Gauger und andere Polizisten aus Brandenburg gelernt, „keine Vorurteile gegen AusländerInnen oder ,Fremde‘ zu entwickeln“. So jedenfalls lautet die Zielvorgabe des Kurses. Die Beamten sollten „sensibilisiert werden für die beschriebene Problematik“, „Verhaltenssicherheit in allen Situationen erwerben, die ausländische MitbügerInnen, MigrantInnen und interkulturelle Fragen betreffen“.

Innenminister Alwin Ziel (SPD) mochte das schlechte Image nicht länger hinnehmen, daß brandenburgische Polizisten eine Bande von Schlägern seien, die auf Polizeistationen wehrlose Vietnamesen quälen. Beamte von der Dienststelle in Bernau hatten im vergangenen Jahr für solche Negativschlagzeilen gesorgt. Auch die Ausländerbeauftragte des Landes, Almuth Berger, drängte nach einem Verhaltenstraining. Das „Interkulturelle Training“ funktioniert nach dem System der „integrierten Fortbildung“. Jörg Gauger ist einer von 50 internen Fortbildern. Sie wurden an jeweils drei Tagen auf den fremdenfreundlichen Imagewechsel getrimmt. Bei 8.000 Polizisten leistet Brandenburg sich diese Verhaltenstrainer der präventiven Konfliktbewältigung. Andere Bundesländer erachten dies keineswegs für selbstverständlich. Berlin hat 30.000 Polizisten, aber nur 20 interne Fortbilder. Was sie an den drei Tagen erfahren haben, werden Jörg Gauger und seine Kollegen in ihre Dienststellen weitertragen, vor Ort sind sie für die Weiterbildung zuständig. In klösterlicher Abgeschiedenheit, unter Ausschluß der Öffentlichkeit, haben Polizisten brisante Situationen des Alltags nachgespielt. Aufgaben wie diese waren zu lösen: Sie stellen einen Wagen mit Diebesgut, Fahrer und Beifahrer sind Polen, sie drohen Ihnen. In einem solchen Einsatz soll der Beamte sich selbst beruhigen: Nur nicht provozieren lassen, bei der letzten Kontrolle von Polen ist auch nichts passiert. Es klingt banal, muß aber hart einstudiert werden. Gelassenheit, sich entspannen – wie bei anderen Polizeitrainings heißt das Schlüsselwort: Deeskalation. Nur ein ruhiger Polizist hält die geforderte softe Linie durch.

Allerdings hapert's noch mit der multikulturellen Verständigung. Die wenigsten Brandenburger Polizisten sprechen Fremdsprachen, nur 120 Polizisten haben sich zu einem der angebotenen Polnischkurse angemeldet.