Am einfachsten zwei Großflughäfen bauen

■ Der Bundesverkehrsminister, Brandenburgs Ministerpräsident und Berlins Regierender Bürgermeister wollen heute Standort für einen Flughafen verkünden

Berlin (taz) – Wo kommt er hin, der neue Großflughafen „Berlin Brandenburg International“ (BBI)? Heute wollen sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) entscheiden. Diepgen will die Start- und Landebahnen für 20 bis 40 Millionen Passagiere im Jahr am südlichen Rand des ehemaligen DDR-Flughafens Schönefeld ausrollen, Stolpe will das Projekt 40 Kilometer tief in die brandenburgische Mark rücken – nach Sperenberg.

Mit Wissmann wird die Entscheidungsfindung nicht einfacher, sondern noch schwieriger. Der Minister schließlich ist gegen das Projekt, weil in der Kasse des Bundes Ebbe herrscht. Offiziell verbreiten die Herren aber Optimismus. Auch Brandenburgs Finanzminister Klaus-Dieter Kühbacher (SPD) erwartete vor dem Spitzentreffen einen klaren Beschluß – für Sperenberg.

Neben der Vereinigung von Berlin und Brandenburg zu einem Bundesland, die bis 2002 realisiert werden soll, ist der Großflughafen wichtigstes gemeinsames Prestigeobjekt des Berliner CDU/SPD-Senats und des Brandenburger SPD- Kabinetts.

Realistischer in ihrer Einschätzung, ob das Projekt heute entschieden wird, zeigten sich da Berliner Regierungskreise. Hier rechnete kaum jemand mit einer Standortentscheidung. In einer Senatsverwaltung hieß es, zu widersprüchlich seien die jeweiligen verkehrs-, arbeitsmarkt- und umweltpolitischen Plus- und Minuspunkte von Schönefeld-Süd und Sperenberg, zu verworren die Interessen, die die drei Gesellschafter der „Berlin Brandenburg Flughafen- Holding“ (BBF) verfolgen. An dieser Holding sind Berlin und Brandenburg zu jeweils 37 Prozent und der Bund mit 26 Prozent beteiligt. Das Luftkreuz mit 24-Stunden-Betrieb und durchgehenden Verbindungen nach Osteuropa und Asien soll der Region Berlin- Brandenburg zu einem „Wirtschaftswunder“ verhelfen. Dafür müßten bei Schönefeld 1.000 Anwohner umgesiedelt oder in Sperenberg mehrere Millionen Bäume gefällt werden.

Brandenburg will den Zuschlag für Sperenberg, weil die Rote Armee auf dem ehemaligen Militärflughafen Altlasten hinterlassen hat, deren Sanierung das Land allein nicht zahlen kann. Der Bund ist – wenn schon ein neuer Großflughafen gebaut werden soll – für Schönefeld, weil die neu zu bauenden Autobahnen und Schienenstränge dort 350 Millionen Mark kosten sollen und nicht 1,8 Milliarden Mark wie in Sperenberg. Stolpes Kreditangebot von einer halben Milliarde Mark an den Bund hat Minister Wissmann nicht umstimmen können. Diepgen hat vor dem Spitzentreffen sogar betont, aus dem Berliner Landeshaushalt werde kein einziger Pfennig in die Finanzierung von Zufahrten fließen, die Bonn zu bezahlen hat.

In dem Streit geht es auch fies zu. So soll etwa Brandenburg in Gutachten den Standort Sperenberg künstlich verbilligt haben, indem zu erwerbende Grundstücke auf den Wert von 1,70 Mark pro Quadratmeter geschätzt wurden. Vor drei Jahren jedoch kaufte die Flughafen-Holding bei Schönefeld 118 Hektar vergleichbares Ackerland zu Preisen zwischen 250 und 450 Mark pro Quadratmeter. Makler taxieren den tatsächlichen Wert der Brache auf weit weniger als 250 Mark pro Quadratmeter. Wegen der überteuerten Preise droht der Holding der Bankrott.

Diepgen, Stolpe und Wissmann könnten den Konkurs vielleicht abwenden, wenn sie sich heute für den Standort Schönefeld-Süd oder auch nur für den Ausbau des vorhandenen Flughafens aussprechen. Das Ackerland würde im Wert steigen. Massive Interessen an der Standortentscheidung haben auch Deutsche Bank und Nordrhein-Westfälische Landesbank WestLB, die sich an der Finanzierung des Flughafens beteiligen wollen. Erstere soll groß in Immobiliengeschäfte um Sperenberg eingestiegen sein, letztere hat hektarweise Land bei Schönefeld gekauft. Ohne Privatinvestoren wie etwa die interessierte Lufthansa und der Baukonzern Philipp Holzmann ist der Flughafen nicht zu finanzieren. Sperenberg soll 13 Milliarden Mark kosten, Schönefeld weniger.

Ohne die heutige Entscheidung gerät der gesamte Zeitplan durcheinander und droht der Traum vom Großflughafen zu zerplatzen. Der Aufsichtsrat der Holding könnte entgegen seiner Ankündigung Ende Juni keine verbindliche Standortentscheidung treffen. Und wenn der Bundestag das Verkehrswegebeschleunigungsgesetz nicht über dieses Jahr hinaus verlängern sollte, fürchtet Diepgen, werde der Airport Berlin Brandenburg International – wenn überhaupt – nicht im Jahr 2010 eröffnet. Schon munkeln Gesellschafterkreise, daß ohne Entscheidung für beide Standorte Planfeststellungsverfahren gestartet werden sollen, um keine Zeit zu verlieren. Die Planungskosten würden sich auf 90 Millionen Mark verdoppeln. Dirk Wildt