Dorf wird vorerst nicht abgebaggert

Verfassungsgericht Brandenburg erklärt Braunkohleplan der Potsdamer Regierung für null und nichtig / Die Sorbengemeinde Horno dürfe nicht so einfach „vom Erdboden verschwinden“  ■ Von Detlef Krell

Potsdam (taz/dpa) – Horno feiert. Das Landesverfassungsgericht in Potsdam hat nach einer vierstündigen Verhandlung die Verordnung der brandenburgischen Landesregierung über den Braunkohleplan des Tagebaus Jänschwalde für nichtig erklärt. Damit ist die drohende Abbaggerung der Gemeinde vorerst gestoppt, aber noch nicht verhindert.

Die Verfassungsrichter unter Vorsitz ihres Präsidenten Peter Macke klärten, daß der Braunkohleplan mit Artikel 98 der Landesverfassung nicht vereinbar sei. Horno dürfe nicht gegen den Willen seiner BewohnerInnen aufgelöst werden, wenn für diesen Fall kein gesondertes Landesgesetz vorliege. Bevor eine Gemeinde „vom Erdboden“ verschwinde oder mit anderen zusammengelegt werde, müsse das Parlament ein Gesetz verabschieden.

Die Potsdamer Landesregierung will das Urteil, so Sprecher Peter Borowski, „eingehend prüfen“. Sie akzeptiere, daß der Kohleplan durch Landesgesetz bestätigt werden müsse, bleibe jedoch bei der Auffassung, „daß die Braunkohle und das Kraftwerk Jänschwalde eine unabdingbare Lebensgrundlage der Niederlausitz sind“. Der Sprecher hebt den richterlichen Hinweis hervor, wonach „die Inanspruchnahme Hornos durch die Entscheidung nicht verhindert wird“, unterschlägt aber die Konsequenzen.

Macke hatte klargestellt, daß Horno erneut vor das Verfassungsgericht ziehen könne. Sollte der Landtag dieses vom Gericht geforderte Gesetz verabschieden, „könnten auch die noch offenen Klagepunkte, so das Recht der sorbischen Bevölkerung auf ihren Siedlungsraum, verhandelt werden“. Dem Gericht liegen Verfassungsbeschwerden des sorbischen Dachverbandes Domowina und eines sorbischen Dorfbewohners sowie von zehn weiteren Gemeinden vor. Ulrich Freese, Bezirksleiter der IG Bergbau und Energie und SPD-Abgeordneter, betrachtet den Richterspruch als „heilbaren Mangel“, dem das Parlament abhelfen könne. Er werde den Ministerpräsidenten zur Betriebsversammlung der Berg- und Energiearbeiter einladen. Er kenne keine Partei, erklärte der Gewerkschafter, „die beschlossen hat, daß Horno stehenbleiben und der Tagebau Jänschwalde angehalten werden muß.“ Stolpe regiert mit absoluter SPD-Mehrheit.

Die Hornoer sehen gelassen auf die hektische Betriebsamkeit. „Ein Sieg der Vernunft“, freut sich Karl Scheppan, einer von hundert Dörflern, die nach Potsdam gefahren waren. „Wir haben keine Angst mehr.“

Nach 18 Jahren Baustopp könne in Horno investiert werden. „Und wir haben ja immer noch die Verfassungsbeschwerde auf Artikel 25“, den Schutz sorbischen Siedlungsraumes. Der stellvertretende Geschäftsführer des sorbischen Dachverbandes Domowina, Harald Konzack, warnt die Gesetzgeber deshalb vor neuer Blamage: Entweder der Sorben-Artikel werde beachtet, „oder man ändert die Verfassung“.