Weltweit 2,3 Milliarden Autos im Jahr 2030

■ Heidelberger Wissenschaftler prognostizieren die globale Motorisierung

Das neue Paradies heißt China. Im Jahre 2010 soll jede chinesische Familie ein eigenes Auto besitzen, verspricht die Regierung. Das macht 200 bis 300 Millionen Exemplare. VW, der führende Hersteller in der Volksrepublik, geht in einem internen Strategiepapier sogar von – langfristig – 456 Millionen Fahrzeugen aus. Die Eroberung dieses Marktes ist das neue „Monopoly“ für die Global Player unter den Autokonzernen, die längst in den Startlöchern sitzen. 456 Millionen Autos – das wären ebensoviel wie der weltweite PKW-Bestand des Jahres 1991.

Was ein solcher Motorisierungsschub für Ressourcen, Klima, Umwelt und Gesundheit bedeuten würde, ist bisher nicht untersucht worden. Und China ist nur eines von vielen Ländern (siehe Statistik), die alle dem westlichen Lebensmodell hinterherfahren. Bei der Fortschreibung des gegenwärtigen Trends dürfte der globale Autobestand bis zum Jahre 2030 um das Viereinhalbfache von heute 500 Millionen auf rund 2,3 Milliarden Pkws zunehmen. In derselben Zeit würden 50 Millionen Menschen durch Autounfälle auf der Straße sterben, das sind ein Drittel der Toten aller Kriege aller Länder in den letzten 500 Jahren oder genauso viele wie im Zweiten Weltkrieg umgekommen sind. 1,1 Milliarden Menschen würden sich bis zum Jahr 2030 bei Unfällen im Straßenverkehr verletzen – eine kaum noch vorstellbare Dimension von Menschenopfern.

Die wachsende Welt-Autoflotte würde für zusätzliche Straßen und Parkplätze eine Fläche von 200.000 Quadratkilometern verbrauchen, die Größe der alten Bundesrepublik. Sie würde in den nächsten 35 Jahren 200 Milliarden Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen (heute 4,4 Milliarden Tonnen im Jahr), das ist ein Fünftel der Menge, die in der gesamten Biosphäre vorhanden ist.

Der Planet würde braten.

Ausgerechnet hat diese Zahlen der Computer des Heidelberger Umwelt- und Prognose-Instituts (UPI) unter Federführung von Dieter Teufel. Die Arbeit seines Teams ist die bisher einzige, die nach den Folgen einer globalen Massenmotorisierung fragt, wie sie Europäer und Amerikaner vormachen. Teufel hat die aktuellen Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung und zur Motorisierung Wirklichkeit werden lassen und die Konsequenzen analysiert.

Zu den eindrucksvollsten Zahlen gehört der Energieverbrauch. Obwohl eine deutliche Abnahme des Spritverbrauchs unterstellt wurde – in den USA zum Beispiel von heute 4300 Liter pro Auto und Jahr auf 1000 Liter im Jahr 2030 –, würde die globale Flotte in den nächsten 35 Jahren dennoch 41,6 Milliarden Tonnen Erdöl verbrauchen. Rechnet man noch die Energie für die Herstellung der Fahrzeuge und den Bau der Infrastruktur dazu, springt der Verbrauch des Welt-Autosystems auf 87,7 Milliarden Tonnen Steinkohleeinheiten an Energie, umgerechnet sind das 60 Milliarden Tonnen Erdöl. Das entspricht der Hälfte der heute auf der Erde registrierten Welt-Ölreserven.

Die Endlichkeit dieser auch für Heizung und Chemie benötigten Ölreserven dürfte Verteilungskämpfe neuen Stils provozieren. Eine Umorientierung auf moderne Antriebskonzepte kann, so die UPI-Studie, das Problem nicht lösen. Alternativen wie „Elektrizität, Bio-Treibstoffe, Methanol, Wasserstoff führen zu ungefähr denselben oder sogar zu höheren Primärenergieverbräuchen und Treibhaus-Emissionen wie der Antrieb mit Benzin und Dieselkraftstoff.“

Durch die Verbrennung der Kraftstoffe würde bis 2030 ein Luftvolumen bis zum zulässigen Grenzwert mit Giften und Schadstoffen angereichert, das einem Luftpaket über der gesamten Erdoberfläche von einem Kilometer Höhe entspricht.

Jedes einzelne Beispiel aus Teufels Hochrechnungen zeigt, daß die Ausdehnung der westlichen Autogesellschaft im Weltmaßstab nicht funktionieren kann. Aber „können wir als Land mit weiter expandierender Autodichte von anderen Ländern wie China, Indien, GUS erwarten, daß diese wegen des Treibhauseffekts oder anderer Umwelt- oder Ressourcenprobleme auf einen Ausbau des Autoverkehrs verzichten, damit wir unsere ,Autokultur‘ aufrechterhalten können?“ Eine weltweite Katastrophe, erinnert Teufel, ist bisher allein durch die wirtschaftliche Rückständigkeit und Armut in vielen Ländern verhindert worden. Mit wachsendem Wohlstand, etwa in China, wird die Massenmotorisierung rasant zunehmen.

Der Bundesrepublik mißt Teufel für die künftige Entwicklung eine besondere Verantwortung zu. In Deutschland sei vor 110 Jahren nicht nur das Auto erfunden worden. Seine stark exportorientierte Auto-Industrie versuche zudem verstärkt, die neuen Märkte im Ausland zu erobern.