Die verarschen uns hier doch

■ Auf dem neu eingerichteten Stellplatz Dreilinden für Sinti und Roma in Zehlendorf beherrscht immer noch das Chaos den Alltag / Nach wie vor kein Strom- und Wasseranschluß / Notstromaggregat nur durch...

„Frag mich doch auch mal was!“ Ein kleines Mädchen versperrt mit ausgebreiteten Armen den Weg. Seit am letzten Donnerstag der Medienrummel mit mehreren Fernsehteams und interessierten ZeitungsreporterInnen auf dem neu eingerichteten Stellplatz für Sinti und Roma in Dreilinden losging, sind auch die Kleinsten am Kontakt mit der Presse interessiert. Und wie gefällt es ihnen hier? „Der Platz ist gut, weil hier kein Rasen ist“, antwortet das Mädchen. Sonst würde man bei einem Dauerregen wie an diesem Wochenende „im Matsch versinken“. Allerdings hat der geteerte Platz am ehemaligen DDR-Kontrollpunkt in Zehlendorf auch Nachteile. „Wenn ich hinfalle, dann kriege ich blutige Knie“, gibt das Mädchen bereitwillig Auskunft.

Um die Kinder herum herrscht immer noch Chaos. Wohnwagen werden einrangiert, Vorzelte aufgebaut, Töpfe und Teller stehen auf der Erde und füllen sich mit Regenwasser. „Von oben haben wir genug davon, aber es gibt immer noch kein Trinkwasser“, ärgert sich Jutta L. Und dies, obwohl die Behörden fast zwei Wochen Zeit hatten, Strom und Wasser zu verlegen. „Das ist eine Schweinerei, was die hier mit uns machen. Wenn der Senat einen offiziellen Stellplatz einrichtet, dann muß er sich auch darum kümmern“, meint die 28jährige. „Die verarschen uns doch von hinten bis vorne“, findet ihr Schwiegervater.

Strom gibt es mittlerweile nur durch eine private Initiative. Reiner Krüger, der Leiter des einen Kilometer entfernten Elisabeth- Weiske-Heimes, der durch Zufall von den schlechten Bedingungen auf dem Platz gehört hatte, hat ein Notstromaggregat organisiert. Dadurch können zumindest ein paar Wagen versorgt werden.

Es wird unruhig auf dem Platz. Neue Wohnwagen treffen ein, diesmal mit gelben Nummernschildern. Irische Sinti, die bisher in Alt-Glienicke waren und dort nicht länger bleiben durften, kommen auf den neuen Stellplatz. Sie sollten eigentlich von einer Polizeieskorte begleitet werden. Das hat ihnen nicht gefallen, und so sind sie auf eigene Faust gekommen. Das sei auch nicht weiter schlimm, meint Polizeihauptkommissar Joachim Kramp. Er macht seit fast zwanzig Jahren im Bezirk seinen Dienst, aber der Kontakt mit den Sinti ist für ihn neu: „Wir stehen hier vor einem völlig neuen Problem. Wir wissen nichts über die Sinti, aber wir möchten etwas über ihre Geschichte lernen, um die Mentalität besser zu verstehen.“

Mittlerweile versammeln sich auf dem Platz immer mehr Menschen, die offiziell mit der Versorgung des Platzes betraut sind. Alle Hände voll zu tun hat Walter Kirz, Referent für ethnische Minderheiten und Sinti und Roma bei der Senatsverwaltung für Jugend und Familie. Er ist ständig unterwegs, um mit den Verantwortlichen zu telefonieren und Faxe zu verschicken. Gleichzeitig muß er sich und den Sintis seine Autorität beweisen. „Ich bin hier der Boß“, sagt er, als es ein Problem bei der Belegung der Stellplätze gibt.

Kirz muß viel organisatorische Arbeit leisten, die durch das Kompetenzgerangel zwischen dem Bezirk Zehlendorf und dem Senat entstanden ist. Der Senat will, daß der Bezirk die Kosten für den Stellplatz übernimmt, wohingegen der Zehlendorfer Finanzstadtrat Michael Simon meint, daß dafür nicht nur ein Bezirk aufkommen müsse. Um diesen Streit nicht länger auf dem Rücken der Sinti auszutragen, erklärt sich Kirz schließlich zur Übernahme der Kosten für die noch zu installierenden Wasseranschlüsse bereit.

Kirz kritisiert Simon, aber nicht generell: „Er und der zuständige Sachbearbeiter für den Sinti-und- Roma-Stellplatz haben gute Arbeit geleistet. Die beiden sind jetzt hier vor Ort und tun das, was sie eigentlich schon vor drei Tagen tun wollten. Damals sind sie aber vom Zehlendorfer Baustadtrat Klaus Eichstädt zurückgepfiffen worden.“ Daß sie nun aktiv werden, sei nur der Intervention des Bürgermeisters Menzel zu verdanken. Der sei jedoch in der nächsten Woche verreist. Dann wird den „Hardlinern wieder Tür und Tor geöffnet“ seien, befürchtet Kirz. Ina Rust