Ein schwarzer Sonntag macht Bollettieri arbeitslos

■ Graf steht im Viertelfinale, doch Becker hat die French Open zeternd verlassen

Paris (taz) – „Black Sunday“, stammelte Nick Bollettieri (63) fassungslos. Der stets sonnengebräunte US-Amerikaner ist bei den French Open von seinen besten Klienten Mary Pierce und Boris Becker auf einen Schlag arbeitslos gemacht worden. Pierce war am Sonntag sehr überraschend völlig chancenlos gegen Iva Majoli geblieben. Becker dagegen hätte durchaus noch gewinnen können, meinte sein Trainer: „Aber so ist das Leben.“

Boris Becker (27) war zu diesem Zeitpunkt bereits vom Ort des Grauens geflüchtet. Zuvor hatte er noch wenig plausible Erklärungen zu seiner Niederlage (3:6, 4:6, 6:3, 5:7) abgegeben. „Topspieler spielen gewöhnlich auf dem Centre Court, zu normaler Zeit, und regnen sollte es auch nicht“, kritisierte der Dritte der Setzliste in aufgeregter Tonlage die Organisatoren, die ihn wie andere auch an diesem Tag nicht bei optimalen Bedingungen hatten spielen lassen. „Nur dann kann ich hart aufschlagen und die Bälle knapp an die Linien spielen“, erläuterte er „den Unterschied“ zu einem „Durchschnittsspieler“, wie er wenig charmant seinen 20jährigen Gegner Adrian Voinea bezeichnete, der „nur immer in die Mitte spielt“.

Becker, im 13. Jahr Tennisprofi, beharrt ohne Unterlaß und mit einem gewissen Realitätsverlust darauf, daß man ihn benachteiligt hat, gegenüber dem „Durchschnittsspieler“ aus Rumänien, der in Perugia in Italien lebt, seit drei Jahren auf der ATP-Tour ist und bisher erst ein einziges kleines Challenger-Turnier auf Malta gewann.

Die Organisatoren reagierten mit einer eigens einberufenen Pressekonferenz und beharrten ihrerseits darauf, daß es am Samstag abend um 19.25 Uhr weder zu dunkel noch zu naß war und auch die Bälle keineswegs ungewöhnlich viel schwerer waren, wie Becker behauptet hatte.

Gerade Topspieler mit der Erfahrung unzähliger Grand-Slam- Turniere schaffen es oft noch, einen 0:2-Satzrückstand wettzumachen, weil der „Durchschnittsspieler“ häufig Nerven zeigt. Becker sah es anders: „Er war nicht unter diesem Druck wie ich.“ Adrian Voinea, 128. der Weltrangliste und in Paris erst über drei harte Qualifikationsspiele ins Hauptfeld gelangt, fühlte sich, nachdem zuvor für ihn „Becker als Person und Tennisspieler der Beste war“, vom vormals Verehrten nicht nur sportlich attackiert: „Er versuchte mich ab Mitte des dritten Satzes in jeder Hinsicht einzuschüchtern.“ Doch Beckers böse Blicke töten nicht mehr und brachten auch in diesem Spiel nicht die erhoffte Wende, einzig den Verlust eines wirklichen Bewunderers unter den Kollegen.

Michael Stich, (nach Redaktionsschluß gegen Michael Chang) und Steffi Graf, die heute im Viertelfinale gegen Gabriela Sabatini ranmuß, sind also die letzten beiden Deutschen, die zu Beginn der zweiten Woche der French Open im Wettbewerb verblieben sind. Für Nick Bollettieri heißt der Turnierfavorit nun Andre Agassi. Der blieb bisher ohne Satzverlust, scheint bei jedem Wetter, gegen jeden Gegner hochmotiviert und steuert nach Expertenmeinung auf ein Finale gegen den Titelverteidiger Sergi Bruguera zu. Doch erst wartet Jewgeni Kafelnikow und dann mutmaßlich der in nunmehr 32 Spielen unbesiegte Thomas Muster, der ballmaschinengleich seine Schläge über das Netz peitscht. Während die um den Sieg spielen, wird Nick Bollettieri („Ich fliege jetzt nicht nach Florida“) mit Boris Becker möglichst umgehend die Vorbereitung auf Wimbledon in drei Wochen beginnen. Dort erwartet den Münchner sein geliebtes „Wohnzimmer“. „Ich kann es kaum erwarten, wieder auf einem normalen Boden zu spielen“, sagt nun Becker. Doch: auch dort warten wieder jede Menge Durchschnittsspieler, die Regenpausen nicht gleich aus der Bahn werfen. Karl-Wilhelm Götte