■ Aus Gerechtigkeit:
: Goethegroschen für jede Form von Kunst

„Kunst wäre so billig zu haben – und wird Euch Allen noch einmal teuer zu stehen kommen!“ Diese Exklamation stammt mitten aus dem „Steinernen Herzen“ des Arno Schmidt. Doch so teuer kommt die Kunst gar nicht. Alles Eigentum der freien Welt ist unbegrenzt vererbbar, jede Klodeckelfabrik, jede Würstchenbraterei – nur das geistige Eigentum nicht. Das wird enteignet und frei verwertbar spätestens 70 Jahre nach dem Tod des Autors, in der besonders eigentumsfreudigen Schweiz bereits nach 50 Jahren. Welche Anmaßung eines Staates! Welche Verdienste hat sich zum Beispiel die Bundesrepublik um einen Arno Schmidt erworben, der buchstäblich die besten Jahre seines Lebens am Rande des Existenzminimums vegetierte? Mit welchem Recht will dieser Staat die Rechte an dem Werk, das in erbittertem Widerstand gegen den Adenauerstaat angeschrieben ist, zur öffentlichen Bereicherung freigeben?

Ein bescheidener Vorschlag: Es gibt keine frei verwertbare Kunst, keine ebensolche Autoren. Von einem jeden verkauften Klassiker oder dessen Übersetzung, von Homer bis Karl May, von Jesaja über Shakespeare, Goethe, Schiller, Börne, Heine, Büchner, Wilhelm Busch und Edgar Wallace ist jeweils ein Prozent vom Buchhonorar abzuführen. Das tut keinem Verlag und keinem Käufer weh. Von jeder Theater- oder Opernaufführung eines Klassikers: ein Prozent von der Abendkasse. Von jedem Notenblatt, Klavierauszug, jeder Plattenaufnahme ein Prozent. Wieso haben die Herren Karajan und Bernstein alle Tantiemen für die Herren Mozart, Beethoven, Schubert, Mahler kassiert? Bei jeder Kunstauktion ein Prozent von jeder Versteigerungssumme, und von jedem Antiquariatsverkauf ein Prozent – da werden ja Mehrwerte an den eigentlichen Urhebern vorbei verkauft. Wo immer mit Kunst gehandelt wird und Profite erzielt werden, ist grundsätzlich ein Prozent abzuführen.

Das gilt selbstverständlich auch für alle Schulbücher, wo bisher die Herausgeber die zehn Prozent Honorar kassieren und sogar noch immer ein Rekrutierungsrecht wahrnehmen: Es ist eine atemberaubende Frechheit, daß sich der Staat hier ein Zwangsrecht auch gegenüber einem eindeutigen Abdruckverbot eines Autors herausnimmt. An Schubert und Heinrich von Kleist und Kafka und wie die zu Lebzeiten erfolglosen armen Schweine alle hießen, die heute Millionenauflagen erzielen, können wir keine Wiedergutmachung mehr leisten. Aber damit ließen sich mühelos alle Künstler der Gegenwart finanzieren, ohne sie zu Bittstellern zu degradieren.

Zukunftsmusik? Komme mir keiner mit technischen Einwendungen, wie das zu organisieren und zu verteilen wäre. Wer die Verwertungsgesellschaft Wort organisieren kann, kann das erst recht. Und mögen dabei auch einige Unwürdige mitgeschleppt werden – wo ist denn das nicht so? Es geht um Gerechtigkeit für die Kunst. Sie ist nämlich, wie Arno Schmidt sagte, „ganz billig zu haben“ und käme uns mit diesem Verfahren nicht einmal teuer zu stehen. Gerd Haffmans

Der Autor ist Verleger (Haffmans Verlag, Zürich) in der Schweiz.