Antonio Di Pietro glanzlos und allein

■ Ermittlungen gegen den Antikorruptions-Fahnder / Der Ex-Staatsanwalt verzichtet auf alle öffentlichen Aufträge

Rom (taz) – Daß man in Italien Mächtige, die auch nur ein Quentchen von ihrer Macht lassen, wie tollwütige Füchse zu hetzen beginnt, ist ehrwürdige Tradition – und die muß nun auch Antonio Di Pietro erleben, der ehemalige Chefermittler der Mailänder Antikorruptions-Sonderkommission „Mani pulite“ (Saubere Hände). Mit seinem spektakulären Ausscheiden aus der Staatsanwaltschaft im Dezember 1994 hat er Macht abgegeben, und obwohl er zahlreiche neue öffentliche Aufträge erhielt, hat er doch keinen hinreichenden Ersatz für seinen eigenen Schutz schaffen können. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Brescia gegen ihn wegen Verdachts der Erpressung und Vorteilsnahme. Er soll einen wegen Korruption Einvernommenen dazu angehalten haben, dem Kommandanten der Mailänder Stadtpolizei, mit dem Di Pietro befreundet war, eine ansehnliche Summe zur Begleichung seiner Spielschulden zur Verfügung zu stellen; außerdem soll er über ein Bankinstitut, gegen dessen Chefs er ermittelte, einen Kredit zur Finanzierung seines Privat-Mercedes genommen haben.

Di Pietro reagierte wie gewohnt explosiv auf die Vorhalte. Eine Schweinerei sei das alles, am liebsten ginge er ins Ausland, und ansonsten seien die Anschuldigungen namentlich lediglich von einem Verteidiger – dem des Hauptangeklagten in einem Verfahren gegen Finanzbeamte wegen Vorteilsnahme, unter anderem von der Berlusconi-Holding Fininvest – vorgebracht worden, darüberhinaus gebe es ausschließlich anonyme Denunziationen ohne jegliches Beweisangebot. Den Kredit habe er vor der Einleitung des Verfahrens erhalten und auch bereits davor zurückgezahlt, und was sein Verhältnis zum Kommandanten der „Vigili urbani“ angehe, so habe selbst der angeblich von ihm erpreßte Unternehmer die Sache als absolut falsch dargestellt. Um die Vorwürfe jedoch vollends aus der Welt zu schaffen, habe er, Di Pietro, nun Selbstanzeige in allen auch nur andeutungsweise vorgekommenen Verdachtsfällen gestellt. Und – was Italien natürlich schockieren wird – er habe überdies alle derzeitigen Tätigkeiten für die öffentliche Hand niedergelegt, darunter auch die Berater- und Ermittlertätigkeit für mehrere parlamentarische Kommissionen und einen Uni-Lehrauftrag für Rechtswissenschaft.

Den Ermittlern in Brescia ist die Sache peinlich: Nur pflichtgemäß verfolgten sie die Hinweise, erklären sie immer wieder. Wie auch immer das ausgehen wird: Man darf getrost unterstellen, daß die Demontage des bisherigen Italo-Idols – den noch immer mehr als zwei Drittel aller Italiener als Staatspräsidenten, Regierungschef oder auch Nationaltrainer allen anderen Konkurrenten vorziehen würden – vor allem als Sperrfeuer gegen politische Ambitionen Di Pietros gedacht ist. Die Linke weiß inzwischen, daß das Herz des Bürgerlieblings eher rechts schlägt und tut kaum mehr etwas für ihn. Der angeschlagene Führer des Mitte- Rechts-Bündnisses, Silvio Berlusconi hingegen, will sich partout keinen Nebengott ins Nest setzen, und der Chef der Rechtsaußen- Partei Nationale Allianz, Gianfranco Fini, kann auch keine moderate Zugnummer hinnehmen, die die begonnene Erosion seiner Bewegung fördern könnte.

So geht es Di Pietro wie allen Italienern, die Glanz verlieren – sie stehen alleine da, verlassen auch von den besten Freunden. Nicht einmal die alten Kollegen vom „Pool Mani pulite“, die ihm sein abruptes Ausscheiden noch immer verübeln, rühren über verbale Pflichtübungen hinaus auch nur einen Finger für den alten Weggefährten. Werner Raith