■ Reklame in Deutschland – Noch eine 50-Jahr-Feier
: Kampagneros im Afri-Cola-Rausch

Düsseldorf (taz) – Die schönsten Kühe sind bekanntlich lila, und deshalb steht eine solche in voller Lebensgröße im Foyer des Düsseldorfer Kunstpalastes, um mit bedächtig pendelndem Kopf und Schwanz die Besucher willkommen zu heißen, auch im Namen von Schnürschuh-Lurchi und Kondensmilch-Bär, HB-Männchen und all den anderen Helden in der „Hall of Fame“.

Ein langer Teppich mit eingewebter Chronik der letzten 50 Jahre inklusive unvergänglicher Werbeslogans (Beispiel: „1981 ,Kriegszustand‘ in Polen / Hoffentlich Allianz versichert“), Extragabe eines der zahlreichen Sponsoren, führt hinein in den Arkadensaal, wo sich in nostalgischer Selbstbespiegelung die Reklamewelt, pardon: Kommunikationskultur der letzten Jahrzehnte tummelt und die ruhmreichen Schlachten gegen Grauschleier, für wilde Frische noch einmal geschlagen werden, aber friedlich in Vitrinen und auf Video.

Der Parcours beginnt bei einer der Nachkriegszeit nachempfundenen Elendshütte. Daneben spröde Bekanntmachungen der Besatzer und ein SPD-Plakat mit der denkwürdigen Forderung „Waren heraus!“. Die Antwort folgt auf dem Fuße: „Ein großer Augenblick!“ verkündet Henkel, „Endlich wieder Persil mit echtem Seifenschaum“. Und weiter geht's mit Dr. Oetker und Tchibo-Mann, mit Maggi-Fridolin und Sarotti- Mohr – nicht ohne unterwegs den Krawattenmuffeln eins auf die Nuß zu geben – zu einem ausladenden Altar, wo Bauknecht Frauenwünsche und BMW Männerträume erfüllt, wenn auch bloß mit Leukoplastbomber Isetta, der damals kaum ahnen ließ, mit was für einem Geschoß einst, im Mai 1995, Firmenboß Peschetsrieder persönlich aus der Kurve fliegen würde.

Dann schlägt die Stunde der Erlebniskultur mit Sandstrand und Niveacreme, Langnese-Spaß und 68er Afri-Cola-Rausch. Dahinter dezent (Weltnichtrauchertag!) eine Vitrine mit allerlei unverzichtbaren Zigarettenmarken („Morgen so gut wie gestern und heute“, behauptet die längst verduftete Zuban).

Die letzte Station ist blaß geraten: Eine Armada von Fernsehmonitoren nudelt lautlos diverse Spots vor sich hin. Was es mit dem beigegebenen Topfpflanzen-Arrangement auf sich hat, verrät erst das Pressematerial: Dies sei, heißt es da, „eine äußerst plastische Veranschaulichung des Werbe- und Mediendschungels, dem der Verbraucher heute ausgesetzt ist.“

Daß es in Deutschland viel zu viele Marken gebe, nämlich rund 50.000, hatte schon beim Presseempfang Bernd M. Michael von der Agentur Grey beklagt. Die Zukunft liege in der Bündelung vieler Produkte unter jeweils einer zugkräftigen Marke; aus dem „Schnellboot“ müsse ein „Flugzeugträger“ werden, formulierte der Vordenker in topaktueller Diktion. Michael blieb es auch vorbehalten, ohne Umschweife festzustellen: „Das alles hier gehört ins Wirtschaftsmuseum, nicht ins Kunstmuseum.“ Obwohl ein Vorredner eifrig Beuys bemüht und froh verkündet hatte, van Goghs ins Bild gebrachter Düsseldorfer Senfpott sei „das erste product placement überhaupt“.

Der Schlußpunkt der bislang aufwendigsten Schau des Werbemuseums: ein „virtuelles Museum der Kreation“, wie die Organisatoren verheißen. Da ragt ein Baugerüst mit großen Reklameflächen, und etliche Projektoren werfen rastlos an die Wände, worauf die Kampagneros so stolz sind, denn was wären 50 Jahre Zeitgeist ohne sie. Wem das Trommelfeuer auf die Nerven geht, findet hier hinten den Notausgang. Olaf Cless

Bis 23. Juli im Deutschen Werbemuseum in Düsseldorf, ab 29. September in Frankfurt am Main