■ Die SPD-Sommersmog-Verordnung
: Angst vor der eigenen Courage

Unter den Bleifüßen gilt der Ziegelsteinfuß als radikaler Öko. Am Pfingstmontag einigten sich die Umweltbundesminister der SPD-regierten Länder auf „wirksame Maßnahmen“ gegen Sommersmog. Ohne Zweifel: Im Vergleich zu den empörenden Vorstellungen der Bundesregierung, deren Gesetzeswerk bisher noch nicht ein einziges Mal zu irgendwelchen Verkehrsverboten geführt hätte, ist der Vorschlag der Sozis ein Stück weit besser. Nicht nur, weil er für Fahrverbote einen niedrigeren Wert ansetzt – einen Wert allerdings, der die Gesundheitsvorsorge ebenfalls sehr kleinschreibt und viele Krebstote in Kauf nimmt. Vor allem aber wollen die Länder keine unkontrollierbaren Ausnahmen für Urlauber und Pendler zulassen. Jeder Verwaltungsmensch weiß, daß sich Grenzwerte bei entsprechendem Druck nach und nach hochschrauben lassen; einmal zugelassene Ausnahmen aber sind fast nie rückholbar. Schließlich wollen die SPD-regierten Länder auch Geschwindigkeitsbegrenzungen verordnen. Die müßten zwar, um zu deutlichen Luftverbesserungen zu führen, langfristiger und dauerhafter als vorgesehen eingeführt werden. Aber immerhin ist die im letzten Jahr vom Möchtegernkanzler Rudolf Scharping abgebrochene Diskussion über die Frage, wo die Freiheit zur Raserei ihre Grenzen hat, wieder auf dem Tapet.

Das Verhalten der Sozis zeigt aber auch, daß sie mal wieder Angst vor der eigenen Courage haben. Rheinland-Pfalz, Saarland, Nordrhein-Westfalen wollen sich doch lieber nur auf Appelle an die Autofahrer beschränken, hieß es gestern. Die Regierung in Baden-Württemberg deklarierte ihren Umweltminister bei seinem Ausflug nach Kassel gar als Privatmann. Hatten die SPD-Ministerpräsidenten am Freitag im Bundesrat beim Thema Benzol noch die Hände dafür gehoben, daß auch Kat-Autos nicht von jedem Fahrverbot ausgenommen werden sollen, so wollen sie sie jetzt auch bei dickster Luft nicht zwangsparken – dabei belegt eine Untersuchung fürs Umweltbundesamt, daß auch Autos mit Katalysator sehr häufig die zulässigen Abgasgrenzwerte überschreiten und die massenhafte Zunahme von Blechkisten ihren Emissionsspareffekt längst wiederaufgefressen hat.

Schließlich berufen sich die Länder seit Jahren aufs Bundesemissionsschutzgesetz, wenn sie den BürgerInnen klarmachen wollen, warum sie die Bundesregierung nicht einfach umfahren können. Dort steht drin, daß die Konzentrationswerte in Bonn gemacht werden. Nach einem Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs hingegen können sie auch die Straßenverkehrsordnung anwenden; da müßten sie Merkel nicht fragen. Aber vor der eigenen Entscheidung hat die SPD Angst. Statt dessen versucht sie sich als Ökopartei zu profilieren, die den Autofahrern nicht weh tut. Annette Jensen