Waffenhandel im Dienste ihrer Majestät

■ Die britische Regierung ließ den Irak mit Schießkram beliefern und ausspionieren

Dublin (taz) – Seit gut zwei Jahren hat die britische Regierung mit angehaltenem Atem auf Richard Scotts Untersuchungsbericht zu „Irakgate“ gewartet. Jetzt ist ein erster Entwurf durchgesickert, der die schlimmsten Befürchtungen der Tories übertrifft. Scott hat ein Netz von Lügen und Intrigen ans Licht gebracht, in das nicht nur fünf Kabinettsmitglieder und Dutzende höchster Regierungsbeamter verwickelt sind, sondern auch Premierminister John Major.

Bei der Untersuchung ging es um illegale Waffenexporte in den Irak. Noch sechs Tage vor der Invasion Kuwaits im August 1992 genehmigte die Londoner Regierung eine weitere Sendung für Saddam Husseins Raketenprogramm. Aufgeflogen ist das im November 1992 während des Prozesses gegen drei Vorstandsmitglieder der Maschinenfabrik „Matrix Churchill“. Die Angeklagten mußten freigesprochen werden, weil sie nachweisen konnten, daß sie im Auftrag der Regierung und der Geheimdienste Rüstungstechnologie und Waffenteile geliefert hatten. Die Geheimdienste MI-5 und MI-6 profitierten erheblich von der Mitarbeit. 1989 und 1990 unternahm ein Matrix- Vorständler acht Geschäftsreisen nach Bagdad und spionierte dabei das irakische Waffenarsenal aus.

Das Kabinett hatte in einer geheimen Sitzung im Sommer 1988 entschieden, die Waffenexportbeschränkungen aus dem Jahr 1985 zu lockern. Vor dem Parlament behauptete man jedoch das Gegenteil. Waldegrave, der als Staatssekretär im Außenministerium direkt an der Sache beteiligt war, behauptete gegenüber Scott, daß dies keineswegs ein Kurswechsel gewesen wäre – einen solchen hätte man nämlich im Unterhaus bekanntgeben müssen. Scott bezichtigt Waldegrave in seinem Bericht der „Wortklauberei“. Ob er bewußt die Unwahrheit gesagt habe, läßt Scott jedoch offen. Waldegrave gab sich gestern zuversichtlich, daß sich die „provisorischen Ansichten des Richters als falsch und unfair“ entpuppen und im Schlußbericht nicht mehr auftauchen würden.

Darauf muß wohl auch Major hoffen, denn in dem Entwurf kommt auch er nicht ungeschoren davon: Zwar sei es nicht überraschend, daß der damalige Außenminister Major heute nicht mehr wisse, ob man ihn über den geheimen Kurswechsel informiert habe, doch spätestens im September 1989 „hätte man erwarten können, daß er darüber Bescheid wußte“, schreibt Scott. Sollten diese Vorwürfe auch im abschließenden Bericht, der im September herauskommt, enthalten sein, wird Majors Stuhl noch wackliger.

Als aussichtsreichster Nachfolger wird Industrieminister Michael Heseltine gehandelt: Er steht als einziger mit weißer Weste da, weil er sich damals geweigert hatte, eine Immunitätserklärung zu unterzeichnen, um Entlastungsmaterial im Matrix-Prozeß zu unterdrücken. Erst auf ausdrückliche Anweisung des Generalstaatsanwalts, Nicholas Lyell, unterschrieb er die Immunitätserklärung. Der damalige Innenminister Kenneth Clarke, Sozialminister Peter Lilley und Verteidigungsminister Malcolm Rifkind hatten sich – letztendlich vergeblich – auf „öffentliches Interesse“ berufen und waren offenbar bereit, die Angeklagten der Rüstungsfirma ins Gefängnis wandern zu lassen, um ihre eigene Haut zu retten. Diese Beweise, die die Regierung schwer belasten, führten schließlich zum Freispruch der Angeklagten – und zur Einsetzung der Untersuchungskommission unter Richter Scott. Ralf Sotschek