Bald werden die Menschen hungern

■ UNHCR-Sprecher Nyberg über die Lage Sarajevos und der Enklaven

Berlin (taz) – In der bosnischen Hauptstadt Sarajevo und den anderen sogenannten UN-Schutzzonen wird die derzeit ernste humanitäre Versorgungssituation ab nächster Woche kritisch werden. Dies erklärte der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) Hans Nyberg aus Zagreb gegenüber der taz. „Wir sind jetzt noch in der Lage, die bedürftigsten Teile der Bevölkerung zu versorgen, jene, die seit einer Woche total von unserer Hilfe abhängen. Danach wird es Probleme geben, falls Konvois weiterhin keinen Zugang nach Sarajevo haben“, sagte Nyberg. Jene, die keine privaten Vorräte mehr hätten und von der Hilfe des UNHCR abhängig seien, würden dann hungern.

„Wir haben 250 Tonnen Mehl am Flughafen von Sarajevo und bringen es mit gepanzerten Fahrzeugen über die bosnisch kontrollierte Route von Dobrinja nach und nach ins Zentrum“, sagt Nyberg. Das UNHCR könne täglich nur kleine Mengen transportieren. Außerdem gebe es noch 85 Tonnen weitere Vorräte am Flughafen, die man eventuell in die Stadt transportieren werde. Doch wenn die Vorräte aufgebraucht seien, gebe es keine Versorgungsmöglichkeit mehr, da die humanitäre Luftbrücke seit April unterbrochen und der Landweg gesperrt ist. Das UNHCR habe die Serben über die Konvois informiert, doch werde die Straße vom Flughafen in die Stadt ständig beschossen.

Hinzukommt, daß der Diesel für den Betrieb der Bäckerei von Sarajevo diese Woche zu Ende geht. Ende Mai kappten die Karadžić-Serben zudem die Wasser-, Strom- und Gasleitungen der Stadt.

„Wenn die Unprofor Sicherheitsgarantien für einen Landweg nach Sarajevo geben würde, dann könnten wir humanitäre Hilfe in die Stadt bringen“, sagt Nyberg. Der UNHCR-Sprecher hofft auf die Öffnung einer solchen Route.

In die ostbosnischen Enklaven Srebrenica, Zepa und Goražde gab es bis vor kurzem regelmäßig Konvois. Die Vorräte in den Lagerhäusern seien dort noch nicht aufgebraucht. Doch sind die Landverbindungen in die Enklaven seit den Nato-Luftschlägen von den Karadžić-Serben völlig gesperrt worden. Ab nächster Woche wird auch dort die Situation kritisch. In Srebrenica verschlechtert sich die humanitäre Situation derzeit wegen der Offensive der bosnischen Serben. 1.000 Menschen, so erklärt Nyberg, seien aus der Umgebung über eine Entfernung von zehn Kilometern ins Zentrum der Stadt geflüchtet. „Sie sind jetzt ohne jede Hilfe dort.“ Eine ähnliche Situation existiert in Goražde wegen der Angriffe auf die Enklave. Gemüse und Getreide, das die Bauern in der Umgebung anbauen, könnten sie wegen des ständigen Beschusses nicht in die Stadt bringen.

Der letzte Konvoi erreichte Srebrenica vor etwa einer Woche. In der letzten Maiwoche gelangten insgesamt 5 Konvois mit 174 Tonnen Hilfe in die Stadt, nach Zepa ein Konvoi mit 35 Tonnen Lebensmitteln und nach Goražde ein Konvoi mit 72 Tonnen. Johannes Vollmer