Point 'n' Click
: Aus intelligentem Birnbaumholz

■ Comedy-Maschine: Computerspiel „Discworld“ nach Terry Pratchett

Jemand hätte Columbus warnen sollen ... Die Welt ist nicht rund, sondern flach wie eine Scheibe beziehungsweise „wie eine geologische Pizza (doch ohne die Anschovis)“. Sie ruht auf den Rücken von vier Elefanten, die wiederum auf dem Panzer einer kolossalen, durchs All gleitenden Schildkröte stehen.

Irgend was kann da nicht stimmen, es sei denn, Abraham Lincoln, Alfred E. Neumann und New York City wären alles Erfindungen des CIA ... aber wir sprechen hier eh von einem alternativen Universum. Kreiert wurde es von dem oft als „Douglas Adams der Fantasy-Literatur“ bezeichneten Briten Terry Pratchett, dessen bislang 18 Bände umfassender, respektlos alle Genre-Klischees auf die Schippe nehmender „Discworld“-Zyklus jetzt erstmals als Computer-Adventure umgesetzt wurde.

Im Zentrum der locker um einige Figuren, Orte und Motive der Romane aufgebauten Handlung steht der nicht besonders erfolgreiche Zauberer Rincewind. In allen thaumaturgischen Abschlußprüfungen an der örtlichen Zauberakademie durchgefallen, hat er immerhin das nicht zu unterschätzende Talent, brenzlige Situationen durch intuitives Agieren zu meistern – er gibt stets schleunigst Fersengeld.

Seltsamerweise bleibt der Apokalypsen-Notdienst auch diesmal wieder an dem Kreisklassen-Crowley hängen. Ein weiterer Okkult-GAU bedroht die altehrwürdige Scheibenwelt-Metropole Ankh-Morpork: Zwecks Forcierung ihrer finsteren Umsturzpläne hat nämlich eine konspirative Geheimloge einen kapitalen Drachen aus seinem Parallelwelt-Domizil herbeibeschworen. Zum Glück steht Rincewind Truhe bei, ein mit unzähligen rosaroten Füßchen ausgestatteter Schrankkoffer aus intelligentem Birnbaumholz. Groß ist das Fassungsvermögen und ebenso sein Killerinstinkt ...

Pratchetts Mitarbeit an der „Discworld“-Versoftung hat sich bezahlt gemacht: Die Dialoge der von versierten Schauspielern wie Ex-Monty Python Eric Idle und Jon „Dr. Who“ Pertwee synchronisierten Cartoon-Figuren wachsen sich streckenweise zu richtigen kleinen Sketchen aus, schwärzester Humor typisch britischer Schule.

Trolle verdingen sich als Kneipenrausschmeißer. Zwerge sind schon mal 1,90 groß. Die englische Variante des Kinderschrecks, der Bogey-man, leidet an Agoraphobie. Wenig später werden in der Stadt schon Castings für Streifen wie „Trolls Prefer Blondes“ oder „Attack of the 50 Foot Dwarf“ abgehalten ...

„Discworld“ ist eine Comedy- Maschine auf Hochtouren. Zwar läßt die graphische Umsetzung – gerade im Vergleich zu durchgestylten Parodie-Adventures der neuesten Generation wie „Malcolm's Revenge“ oder „Woodruff and the Schnibble of Azimuth“ – ein paar Wünsche offen, was aber den Unterhaltungswert kaum schmälert. Fast schon ein bißchen zuviel des Guten: In der Unmenge bizzarer Szenarien kann die Orientierung leicht verloren gehen (unbedingt auf die Aufgabenstellung zu Beginn der einzelnen Teile achten!).

Die Rätsel sind streckenweise hammerhart, ihre Lösung um buchstäblich jede Ecke gedacht. Mal sehen, wie lange Du brauchen wirst, bist Du auf die Idee kommst, eine Leiter durch Büstenhalter stoßzudämpfern oder Nikolauspüppchen in Schornsteine zu entsorgen! – Probleme haben wir Interaktiven ... Ulrich Hölzer

Discworld (Psygnosis) – IBM-PC ab 486er/33 MHz mit 4 MB RAM, Maus, Soundkarte (CD- ROM-Version mit engl. Sprachausgabe und dt. Untertiteln; Diskettenversion ohne Sprachausgabe); Preis: ca. DM 120

Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romane gibt es als Heyne- Taschenbücher – Bd. 1: Das Licht der Phantasie, Nr. 06/4583, DM 12,90