■ Nordkoreas Atomprogramm – nächste Runde
: Ein Lehrstück aus Fernost

Die Hängepartie dauert fast zehn Jahre. Ende 1985 trat Nordkorea auf wenig sanften Druck der Sowjetunion dem Atomwaffensperrvertrag bei. 1992 endlich verpflichteten sich die Machthaber in Pjöngjang, zuzulassen, was den Kern des Nicht-Weiterverbreitungsvertrages ausmacht: Die Kontrolleure der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) sollten Zugang zu allen Atomanlagen des Landes erhalten. Sie sollten überprüfen, ob Nordkorea sich lediglich an einem eigenen zivilen Atomprogramm abmüht oder die Bombe das eigentliche Objekt der Begierde ist.

Inzwischen ist kaum mehr umstritten, daß das Land in der Vergangenheit aus einem kleinen Experimentalreaktor genug Plutonium für einige nukleare Sprengsätze abgezweigt hat. Ungeklärt bleibt, wie weit die Isolierung des Bombenstoffs gediehen ist, ob das Regime über die Technologie zur Zündung einer Plutoniumbombe verfügt, kurz: ob der Sprengsatz bereits existiert. Bis heute haben die IAEO-Experten nicht alle Anlagen zu Gesicht bekommen.

Das nordkoreanische Beispiel ist ein Lehrstück über die Machtlosigkeit der internationalen Staatengemeinschaft gegen den Mißbrauch der zivilen Atomenergienutzung. Das kommunistische Regime verabschiedete sich als Mitglied aus der Wiener Atombehörde, drohte mit Austritt aus dem Sperrvertrag und im Fall internationaler Sanktionen mit „gnadenlosem Krieg“. Und – natürlich nie ausdrücklich – mit dem Einsatz nuklearer Waffen. So treibt man die Preise hoch, was durchaus wörtlich zu nehmen ist. Denn immer unverblümter boten Nordkoreas Machthaber in der Folgezeit den Verzicht auf die Fortsetzung ihres militärischen Atomprogramms gegen kostenlose Wirtschaftshilfe und Anerkennung durch die USA.

Seit die IAEO ausgebootet ist, versuchen sich die USA als Krisenmanager. Das Ergebnis ist niederschmetternd. Im vergangenen Herbst unterzeichneten beide Länder in Genf ein Abkommen, das verhindern soll, daß Pjöngjang nicht weiter an der Bombe bastelt. Doch mit der Übereinkunft verzichtet die Staatengemeinschaft endgültig auf eine Überprüfung der Frage, ob Nordkorea bereits über die Bombe verfügt oder nicht. Pjöngjang kann die erpresserische Drohung mit ihrem Einsatz wiederholen, wann immer die Machthaber dies für opportun halten. Potentielle Erpresser verfolgen interessiert das Schauspiel. Fest steht: Jedes Land mit einer „zivilen“ Atomtechnologie kann die Erpressungsspirale in Gang setzen.

Nordkorea soll, so legt es das Abkommen fest, moderne 1.000-Megawatt-Leichtwasserreaktoren erhalten, damit es seinen 5-Megawatt-Reaktor nicht wieder hochfährt. Ein merkwürdiges Angebot. Denn jeder weiß, daß unter Einhaltung bestimmter physikalischer Bedingungen, auch diese Reaktoren bombentaugliches Plutonium liefern. Egal wie das Tauziehen um das Genfer Abkommen zwischen den USA und Nordkorea am Ende ausgeht, das fundamentale Dilemma scheint unüberwindbar. Die Atomtechnologie ist ein zivil-militärischer Zwitter. Jedes Land, das über eine zivile nukleare Infrastruktur verfügt, kann grundsätzlich den Schwenk zur militärischen Zweckentfremdung vollziehen. Dabei bleibt es, solange es auf der Erde Atomkraftwerke gibt. Gerd Rosenkranz