„Jüdischer Krieg gegen Deutschland“ vor Gericht

■ In Wien klagt ein Münsteraner Professor gegen einen jüdischen Journalisten, weil dieser auf dessen revisionistischen Artikel aufmerksam gemacht hatte

Berlin (taz) – Am Zweiten Weltkrieg sind die Juden schuld. Dies jedenfalls legt in bewährter Verkehrung von Opfern und Tätern der 54jährige Österreicher Werner Pfeifenberger, Politik- Professor am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Münster, in einem pseudo-wissenschaftlichen Beitrag nahe. Und diese Äußerung ist Gegenstand eines Prozesses der heute vor dem Landgericht für Strafsachen in Wien beginnt. Allerdings ist Pfeifenberger nicht Beklagter. Vielmehr klagt er gegen den 67jährigen Karl Pfeifer, Journalist der Gemeinde, einer Zeitung der jüdischen Kultusgemeinde in Wien.

Pfeifenberger wirft Pfeifer üble Nachrede vor. Pfeifer hat in einem Artikel in der Gemeinde vom 3. Februar 1995 unter dem Titel „Freiheitliches Jahrbuch 1995 mit (Neo- )Nazi-Tönen“ Pfeifenberger vorgeworfen, die „Mär vom jüdischen Krieg gegen Deutschland zu verbreiten“, zu lügen, indem er Zitate aus dem Kontext gerissen habe und eine „Nazidiktion“ zu verwenden. Anlaß für Pfeifers Kritik war ein ein jüngst erschienener Artikel Pfeifenbergers. Diesen Artikel veröffentlichte Pfeifenberger unter dem Titel „Internationalismus gegen Nationalismus – eine unendliche Feindschaft?“ im Jahrbuch für politische Erneuerung der FPÖ. Darin „vereinigt Pfeifenberger in selten kompakter Weise beinahe alle Standardargumente der sogenannten revisionistischen Publizistik“, meint Brigitte Bailer, Mitarbeiterin des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands. Bailer hat für den Beklagten Pfeifer als Vorbereitung für den heutigen Prozeß ein Gutachten verfaßt, indem sie den Aufsatz Pfeifenbergers seziert und deutlich macht, daß Pfeifenberger „zahlreiche Propagandaelemente rechtsextremer und neonazistischer Publikationen verwendet und im Verdacht steht, gegen das NS-Verbotsgesetz verstoßen zu haben“. Werner Pfeifenberger ist kein Neuling in der Szene. Seine Studenten an der Fachhochschule in Münster haben von 1989 bis 1992 seine Lehrveranstaltungen wegen rassistischer Äußerungen, insbesondere seines Engagements für die südafrikanische Apartheitsregierung vollständig boykottiert und statt dessen eigene Veranstaltungen organisiert. „Aus der Universität in Münster ist er wegen rassistischer Äußerungen 1979 herausgedrängt worden“, sagt der ehemalige Sprecher der Asta Wolfgang Klinger. Daraufhin kam er an der Fachhochschule unter. Dort gab es mehrere Disziplinarverfahren gegen ihn, die allerdings im Sande verliefen.

Der Kampf zwischen Deutschen und Juden, so ließ Pfeifenberger die Leser des Jahrbuches wissen, sei jahrtausendealt und bis heute nicht beendet: „Dieser Krieg brach nicht im September 1939 aus und endetet nicht im Mai 1945. Er ist viel älter und wird als allgegenwärtiger Nachkriegskrieg bis zum heutigen Tage ausgetragen, mit anderen Mitteln, auf anderer Ebene, aber nicht weniger haßerfüllt [...] Die Haßtiraden der Verleumdungskampagne gegen Kurt Waldheim sollten es noch einmal jedermann deutlich vor Augen führen, daß dieser Weltkrieg noch lange nicht ausgestanden ist.“

Und dann folgt die These, wonach die Juden den Deutschen den Krieg angesagt hätten: „Der wechselseitige Haß saß so tief, daß ,Judea‘ in der britischen Tageszeitung Daily Express bereits am 24. März 1933, also kurz nach Amtsantritt der nationalsozialistischen Regierung ... ganz Deutschland den Krieg erklärte.“ Tatsächlich hatte der Daily Express an diesem Tag getitelt: „Judea Declares War On Germany“ – meinte damit jedoch Boykottmaßnahmen amerikanischer und britischer Juden gegen Deutschland als Reaktion auf Ausschreitungen der SA gegen deutsche Juden. Pfeifenbergers Deutung ist die Aufwärmung der alten Unterstellung einer jüdischen Weltverschwörung. Die ideologischen Ursachen verortet Pfeifenberger in den „Aussagen zweier antagonistischen Hasser“ – Adolf Hitler und Kurt Tucholsky: „Der internationalistische Hasser Kurt Tucholsky meinte, den Menschen seines deutschen Gastlandes gesamthaft den Tod wünschen zu müssen, weil sie ihm viel zu nationalistisch dachten“, schreibt Pfeifenberger. Mit der Mär vom „deutschen Gastland“ wird der nationalsozialistische Gedanke vom Volksgenossen aufgewärmt. Anders läßt sich die Formulierung vom „deutschen Gastland“ wohl kaum erklären. Beharrlich bleibt Pfeifenberger auch noch in seiner Klageschrift gegen Pfeifer. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt von einer „Mär vom jüdischen Krieg gegen Deutschland“ zu schreiben, „weil es derartiges vom gedanklichen Ansatz her tatsächlich gegeben habe“. Dabei hat das Wiener Landgericht für Strafsachen schon 1980 festgestellt, daß die Behauptung von der jüdischen Kriegserklärung, sowie die Leugnung der nationalsozialistischen Verantwortung für den zweiten Weltkrieg als „Schreibweise in nationalsozialistischem Sinn“ zu qualifizieren sei. Julia Albrecht