Der Dichter als Kunstflieger

■ Das intensive Interview. Heute unter dem Motto „Welcher Surrealismus?“ mit dem Schriftsteller-Künstler Jörg Janzer

taz: Du hast eine Vielzahl verschiedener Tätigkeiten hinter dir, möchtest darüber aber nicht definiert werden. Ist „Künstlerphilosoph“ eine angemessene Berufsbezeichnung?

Jörg Janzer: Mein Name ist Jörg Le Loch, ich bin Kunstflieger.

Wo und wie hast du den Flugschein gemacht?

Das bringt einem keiner bei, man fliegt los und weiß nicht, wo man landet.

Du hast bis jetzt zwei Romane und einen Gedichtband vorgelegt, ein dritter Roman mit den Arbeitstiteln „Die Exkremente des Glücks“ und „Von der Todeskunst des Lächelns im Gehen“ ist in Arbeit. Nun sind deine Texte sowohl wegen ihrer verwirrenden Struktur als auch wegen der eigenwilligen Typographie hart am Rande der Lesbarkeit angesiedelt. Ist deine Sprache die Gewißheit, da die Menschen nicht mehr miteinander reden?

(lacht) Das würde ich so nie sagen. Die Menschen reden nicht mit mir – und ich rede nicht mit ihnen. Das ist die Wahrheit!

In deinen Texten taucht immer wieder der Name des Dichters und Theatertheoretikers Antonin Artaud auf. Welche Bedeutung hat Artaud für dein Schreiben?

Er hat nie seine Würde verloren, hat immer gelitten, ist aber nie zu Kreuze gekrochen. Man fand ihn tot auf seinem Bettrand sitzend mit einem Schuh in der Hand. Daher auch der Titel: Von der Todeskunst des Lächelns im Gehen.

Ich hätte folgendes in dich hineingelesen: Du akzeptierst, was dir paßt, und nicht, was auf der Linie liegt, sagst „Scheiße“ zum Geist und tanzt auf dem Kopf stehend...

Hm.

Gerne polemisierst du gegen die „Herrenmenschen in der Maske des Geistes“ – wer ist damit gemeint?

Das sind die wahren Exponenten der funktionalen Verblödung bei formal intakter Intelligenz. Aber eigentlich ist das alles viel komplizierter, auch für mich.

Du schreibst, machst Musik und zeichnest auch. Letztes Jahr gab es eine Ausstellung deiner Werke in der Galerie Weißer Elefant in Mitte. Wann gibt's wieder was von dir zu sehen?

Am zweiten Tag der Offenen Ateliers versteigere ich meine Zeichnungen. Was übrigbleibt, wird verbrannt.

Wieso bist du dagegen, daß im Gespräch über Kunst von „Arbeit“ gesprochen wird?

Künstler zu sein ist für mich eine Anmaßung. Ohne diese Anmaßung gibt es eigentlich keine Kunst. Wer Produkte seiner künstlerischen Tätigkeit als „Arbeiten“ bezeichnet, betreibt billige Anbiederung – egal, ob er arm oder reich ist. Der Künstler ist noch im Sterben privilegiert. Es geht weder um Arbeit noch um Geld.

In Anbetracht der finanzkräftigen Szene, die sich in Mitte zwischen Schlag- und Einschußlöchern breitgemacht hat, sagtest du: „In drei Jahren gehen wir eh alle nach Sarajevo.“ Hältst du an dieser Prognose fest?

Die Karawane der Tagträumer zieht weiter ... die Kunst bricht das Bild der Wirklichkeit, ich breche mit.

Eine letzte Frage: Hat der Surrealismus Zukunft?

(lacht) Welcher Surrealismus? (lacht)Interview: Gunnar Lützow

Jörg Janzer liest am Sonntag, den 11.6., 20 Uhr, im Statthaus Böcklerpark. Sein Halluzinatorium (Atelier) im 5. Stock der Rosenthaler Straße 13 ist im Rahmen der „Offenen Ateliers“ am 1. und 2.7., 12-20 Uhr, zu besichtigen.