USA wollen nicht mehr die ganze Welt aufnehmen

■ Kongreßkommission empfiehlt drastische Beschränkung der legalen Einwanderung in die USA / Bill Clinton ist begeistert: „Pro-Familie, pro-Arbeit“

Washington (wps/taz) – Die ohnehin reparaturbedürftige Freiheitsstatue in New York, die mit ihrer in den Himmel ragenden Fackel den Verdammten dieser Erde Zuflucht verspricht, kann wohl bald endgültig abgerissen werden. Nachdem in den USA schon seit geraumer Zeit Unmut über illegale Immigranten zu spüren ist, geht es jetzt nämlich auch der legalen Einwanderung an den Kragen. Eine Beraterkommission des US-Kongresses stellte am Mittwoch umfassende Pläne für eine radikale Verschärfung der Einwanderungsgesetzgebung vor – und erntete breite Zustimmung.

Im einzelnen will die von Barbara Jordan, einer einstigen demokratischen Kongreßabgeordneten aus Texas, geleitete Kommission folgendes durchsetzen: Die Anzahl der jährlich gewährten Einwanderungsvisa wird von gegenwärtig 830.000 auf 550.000 gesenkt. Von diesen 550.000 werden 400.000 Visa im Rahmen der Familienzusammenführung erteilt, 100.000 gehen an Arbeitssuchende und 50.000 an Flüchtlinge. Um die gegenwärtig über eine Million Antragsteller abzuarbeiten, die bereits auf ein Visa im Rahmen der Familienzusammenführung warten, werden für eine Übergangszeit zusätzlich 150.000 Visa im Jahr für Altfälle bereitgestellt.

Zugleich mit der Verringerung der Zahlen wird auch die bisher schon praktizierte Selektion weiter verschärft. Die 100.000 Visa für Arbeitssuchende – bisher wurden 140.000 im Jahr erteilt – sollen im Allgemeinen nur noch Einwanderern mit Hochschulabschluß zugute kommen. Arbeitgeber, die einen davon einstellen, sollen eine Gebühr zahlen, mit dem ein Trainingsfonds für amerikanische Arbeiter finanziert wird. Bisher mußten Arbeitgeber nur bei der Einstellung illegaler Einwanderer Geldstrafen fürchten. Überhaupt keine Visa mehr, so die Jordan- Vorschläge, sollen an unqualifizierte Arbeitssuchende gehen. Die Visa zur Familienzusammenführung sollen nur noch an Eheleute, minderjährige Kinder oder Eltern von bereits in den USA lebenden Einwanderern gehen – nicht mehr wie bisher auch an Geschwister und erwachsene Kinder.

„Einwanderer, die durch ein wohlreguliertes System hineingelassen werden, stärken die Vereinigten Staaten“, sagte Barbara Jordan. „Aber wir erkennen an, daß legale Einwanderung sowohl Vorteile wie auch Kosten mit sich bringt“. Präsident Bill Clinton erklärte: „Die Vorschläge der Kommission decken sich mit meinen Ansichten: Sie sind pro-Familie, pro-Arbeit, pro-Einbürgerung“.

Die neuen Pläne haben gute Chancen auf Verwirklichung, obwohl sie nach Ansicht von Beobachtern die gravierendste Kehrtwende der US-Einwanderungspoltik seit vier Jahrzehnten darstellen. Diese Kehrtwende deutete sich bereits an, als die Wähler Kaliforniens im Oktober 1994 per Referendum dafür stimmten, illegalen Einwanderern zukünftig Sozialleistungen zu verweigern – eine juristisch immer noch umstrittene Maßnahme. Gegenwärtig lassen sich nach amtlichen Schätzungen bis zu 300.000 illegale Einwanderer im Jahr endgültig in den USA nieder; mehrere Millionen kommen vorübergehend, vor allem als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft. Das führt dazu, daß unter anderem die US-Landarbeitergewerkschaften auf eine Verschärfung der Einwanderungsgesetze drängen, und schon in den Debatten um den NAFTA-Freihandelsvertrag äußerten Politiker aller Schattierungen Ängste vor noch mehr legalen Einwanderern aus Lateinamerika, die über Mexiko in die USA geraten würden. So steht heute eine Mehrheit von Abgeordneten beider Parteien im Kongreß hinter Einwanderungsbeschänkungen. Dagegen sind nur einige Linke, die der Multikultur verpflichtet sind, und einige Rechte, die als Teil des Wirtschaftsliberalismus offene Grenzen fordern.

Die Jordan-Kommission wurde 1990 vom US-Kongreß eingesetzt. Ihr neuer Bericht fällt in eine Zeit ohnehin emsiger Gesetzesschreiberei im Kongreß. Noch gestern wollte ein Senatskomitee damit beginnen, Gesetzestexte zur Vervollkommnung der Grenzüberwachung zu entwerfen. D.J.