Eisenbahn mit Stern

■ Mercedes–Benz präsentiert einen Güterwaggon, der Container schultert

Das fehlte uns gerade noch, denken die Spediteure und die Trucker: Mercedes baut Eisenbahnen! Einer der weltgrößten Lastwagen-Bauer schafft für die Konkurrenz!

Es ist wahr, aber nicht ganz: Seit vergangenem Oktober rollen täglich im Probebetrieb fünf ganz spezielle Bahnwaggons mit zehn Containern von Stuttgart nach Bremen und bringen Motoren hierher. Die Waggons sind von einer französischen Firma namens Lohr gebaut worden; auf den Flanken aber prangt: concept by Mercedes Benz. Am Mittwoch stellte der Daimler-Benz-Konzern in Sebaldsbrück der reichlich angereisten Fachpresse den „Kombilifter“ vor – die Simpel-Schnittstelle zwischen Bahn und LKW.

Mercedes-Benz rechnet damit, daß der Straßengüterverkehr zwischen 1988 und 2010 um furchterregende 80% zunimmt. Ernsthafte Versuche, da gegenzusteuern, sind nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Schiene wird immer teurer, der LKW (für deutsche Spediteure oft ruinös) immer billiger. Das Bahnnetz ist überlastet. Nebenstrecken aber werden eingestellt. Und das Verfrachten der Container oder Wechselbrücken vom LKW auf die Bahn bedarf einer ausgefuchsten Logistik und großer Krane in teuren Umschlagszentren. Abhilfe könnte der Kombilifter schaffen.

Das Prinzip: Der LKW stellt seine Container auf einem Gleis ab; dabei sollen die Stützen möglichst genau in markierten Feldern stehen. Dann fährt der Kombilifter unter den Container, hebt ihn halbautomatisch an und wird an einen normalen Güterzug angekoppelt. Kein Stapeln, kein Kranen – ein Mann kann in einer halben Stunde einen Zug mit zehn Containern alleine zusammenstellen.

Der eigens angereiste Bernd Gottschalk, MB-Vorstandsmitglied (Bereich Nutzfahrzeuge), wurde geradezu lyrisch, als er zum Hintergrund der Kombilifter-Entwicklung erklärte: „Wer sich an den Flüssen erfreut, sollte nicht die Bäche stillegen.“ Dabei liegen die Bäche vielfach schon still. Es geht vielmehr um eine neue Dezentralisierung des Güterumschlags vom LKW auf die Bahn, um eine Rückeroberung „der Region“ durch die Schiene. Ein simpler Gleisanschluß, ein paar Farbflecken auf dem Boden für die LKW-Fahrer – und der Kombiverkehr Straße-Schiene wäre endlich auch für kleinere Speditionen oder Firmen und unregelmäßige Sendungen interessant und zugänglich.

Die Vorteile demonstriert Mercedes selbst seit einem halben Jahr mit fünf Waggons: Früher wühlten sich die LKW mit den Containern aus Untertürkheim vom Rolandumschlag im GVZ nach Sebaldsbrück eine Stunde lang durch den Stau. Heute werden die Waggons in Hemelingen abgekoppelt, auf ein Nebengleis geschoben, und dann per LKW die paar hundert Meter ins Werk gebracht. Von einem Mann.

Das klingt alles vernünftig und gut, zumal der Preis, doppelt so hoch wie bei einem normalen Waggon, bei guter Auslastung nicht das Thema ist. Jedoch: Die Preise, die die Bahn für die Trassenbenutzung und die Beförderung nimmt, sind so hoch, daß sich der Kombiverkehr ohnehin nur im Fernbereich rechnet. Und: die Bahn müßte ihre Streckenstillegungspolitik überdenken. Der Vertreter der während der Präsentation heftig attackierten Bahn AG brachte leider nur ein beschwörendes „Wir sind Partner!“ heraus.

Womöglich kommt man sich bald als Partner noch näher: Mercedes denkt darüber nach, ob die kleinen Waggoneinheiten nicht mit eigener Antriebstechnik ausgestatten werden sollten. Im Klartext: MB konstruiert vielleicht demnächst Lokomotiven. Da werden sie wieder gucken, die Spediteure und die Trucker!

BuS