■ In Bogen und Bausch:
: Nein zum Rausch

Nüchtern ist der, Karlheinz, den Europameister 1994 der Hallenextremclimber, und Monique, seine Freundin und Vizejuniorenweltmeisterin im Free-Bungee, auf Iceboards seine von Abermillennien Freizeit stumm erzählende Zunge hinab sausen lassende Germknödelgletscher; und nüchtern ist der den Nichtmehrweiterwissenden zum unverbindlichen Dialog mit IHM einladende sandsteingemäuerte Zentralzugang zu Colonias Dom; nüchtern sind die Sfinxen, das Sparschwein, die Sfären; nüchtern sind Ahorn, Blauwal, CCFliege, Donner, Elok, Faßbrause, Granulat, Hofrichter, Irratio und der Orden Societas Jesu; nüchtern sind der Klammeraffe, die Libido, das Mahnmal, Nieswurz und OTTO, Petroleum und Quittung, Räude und Sesam, Tom & Jerry und Ulema, der Rock-benamte Vogel und der Wecker, der Xerophyt und Ytong, das Mousse unter den Betons, und nüchtern sind die Zwölf Apostel und das Zeilenhonorar aller Zeiten; und nüchtern ist das aus der Tiefe des leiblichen Raums die Flügel der Lunge, den Pankreas, die Därm, den Magen und die Lymphdrüsen enternde Karzinom. Nüchtern sind die Ozeane, und nüchtern ist der der Ozeane Blauschopf von Null bis in die Puppen toupierende Wind: Und nüchtern ist die ihr frisch und pumperlxundgeschlupfts Herzensfrüchtchen stillende Spätgeborenhabende; und nüchtern ist ihr den astreinen Zitzenseim schlotzendes Kind. Nüchtern sind die Dinge, und nüchtern ist ihr Seyn. So seien auch Dichterin und Dichter, die Vorerwähnten entsprechend Besingende; und nicht das (die Kontrollverlustflagge aus dem Halse gehißt und die Bierfurzschleppe achtern) besoffene Schwein.

Denn wie so oft und so tückisch auch die Agenten des Abusus' den den Charakter des Menschen zersuppenden und sich immer herrischer in dessen Wesen einklagenden Rausch beschönigen und die immer schärfer werdenden Krallen des Bruders des Rausches, des Katers, leugnen; taugt der Rausch schon für den gewöhnlichen Menschen nicht – umso wie erst wird er sich niemals für Dichterin beziehungsweise Dichter eignen. Horst Tomayer

Dieses Gedicht mit sog. verzögerten Reimen erschien 1994 im Buch „Rausch und Künste“ (konkursbuch-Verlag). Horst Tomayer trägt das Gedicht am kommenden Montag abend um 20 Uhr in der Kneipe „Village Voice“ in der Berliner Ackerstraße vor. Dort wird ein Teil eines TV-Features des Süddeutschen Rundfunks gedreht, das sich mit den Interdepenzen von Rausch und Kunst befaßt.