D(ilettantisch) Z(wielichtig) T(euer)

■ Der wirkliche Skandal der Deutschen Zentrale für Tourismus: ihr einfallsloses Deutschlandbild und die Vergeudung von Steuergeldern

Die „Deutsche Zentrale für Tourismus“ (DZT) bekommt jährlich satte 45 Millionen Mark von der Bundesregierung zugeschustert. Ihre Hauptaufgabe ist es, mit diesen Steuergeldern möglichst viele Gäste nach Deutschland zu locken. In letzter Zeit häuften sich die Hiobsbotschaften aus der New Yorker Zweigstelle: Herren, die ihren Kolleginnen mit dummen Sprüchen an die Wäsche gingen, antisemitische Äußerungen einer Angestellten und eine 100.000 Mark teure Marketingstudie, derzufolge „keine Juden, Schwarzen, Hispanier und Asiaten“ als potentielle Deutschlandreisende angeworben werden sollen. Wer in diesen Tagen die berüchtigte Dependance im 52. Stock des New Yorker Chanin Building betritt, erlebt eine grauhaarige Angestellte in einem weißen Leinenjankerl, die sich vor Unsicherheit kaum zu bewegen weiß. Fernsehteams halten ihre Kameras in das Büro mit der großen Glasfront und dem schönen Ausblick, um die neue deutsche Peinlichkeit in der Welt zu verbreiten. Eines jedoch ist wie immer: Deutschlandinteressierte werden mit einem Stapel Broschüren abgespeist.

In den insgesamt 26 Auslandsvertretungen der DZT sind 180 Personen, in der Frankfurter Zentrale etwa 70 Personen beschäftigt. Doch Fehlentscheidungen im Marketing und der Personalpolitik bremsen ihre Effizienz.

Antiquiertes Deutschlandbild

Potentielle Deutschlandurlauber werden mit Klischees bedient. Urlaub in Deutschland, das ist „aktiv erlebte Romantik“. Auf Foldern steht immer noch das strahlende Schwarzwaldmädel. In der Hand hält sie eine lauschige Hütte. Kein Wunder, daß sich das Ausland mit dem Klischee des sauerkrautfressenden und bierschlabbernden Deutschen rächt. Zahlreiche Reiseveranstalter in Skandinavien meiden eine Zusammenarbeit mit der DZT wegen ihrer verstaubten Deutschlandpräsentation.

Gescheiterte Zielgruppenpolitik

Mit dem romantischen Image erreicht die DZT immer nur eine Zielgruppe. Insgesamt reisen jährlich rund 29 Millionen Menschen nach Deutschland (zum Vergleich: Tschechien zählt jährlich über 60 Millionen Besucher). Etwa 70 Prozent sind Wiederholungsgäste. Sie sind durchschnittlich 40 Jahre alt. Die DZT war trotz ihres millionenschweren Finanzbudgets nicht in der Lage, jüngere Menschen für einen Deutschlandurlaub zu gewinnen.

Mangelnde Innovation

Die DZT bewertet ihre Märkte nicht nach Zielgruppen, sondern nach Herkunftsstaaten. In Industrieländer wird finanziell tüchtig reingebuttert. Dagegen betreibt die DZT in weniger reisefreudigen Ländern weder Werbung noch Konsumentenservice. So reagiert der Verein auf eindeutige Trends, statt auf potentiellen, noch brachliegenden Märkten zu agieren. Das DZT-Büro in Sydney wurde beispielsweise geschlossen. Australien, hieß es, rangiere auf der Liste der Quellenländer lediglich auf Platz 23. Dafür wird nun eine Zweigstelle in Prag eröffnet.

Fehlende Flexibilität

Die DZT ist nicht in der Lage, auf veränderte Marktbedingungen schnell und adäquat zu reagieren. Beispiel: Eine Mitarbeiterin in dem Kopenhagener Büro bekam 1993 zahlreiche Anfragen verunsicherter Dänen. Im Hinblick auf die rechtsradikalen Ausschreitungen wollten sie wissen, ob ein Deutschlandbesuch noch möglich sei. Mehrmalige Anfragen in der Frankfurter Zentrale, wie man nun reagieren solle, ließen die Angestellte ratlos. Der zähe DZT-Apparat zeigt sich auch darin: Schon vor ein paar Jahren wies das BAT- Freizeitforschungsinstitut in Hamburg darauf hin, daß sich Deutschland „vor dem Hintergrund wachsenden Wettbewerbs als Urlaubsziel neu positionieren muß“. Und daß „landschaftliche Vielfalt“ und „kulturelle Sehenswürdigkeiten“ zur Imagewerbung nicht ausreichen. Die DZT hat die Studie verschlafen.

Steuern werden vergeudet

Im Herbst 1994 organisierte die DZT einen dreitägen Schlemmerkongreß im Hyatt-Hotel in Orlando. 200 Reisebüroagenten reisten an. Für das schicke Rendezvous hat der Verein 250.000 Mark hingeblättert. Insiderberichten zufolge galt das Treffen als „totaler Flop“. Der Spiegel zitiert DZT- Mitarbeiter, denen zufolge auch „zweit- und drittrangige Agenturen inklusive Ehefrauen“ beköstigt wurden.

Anfang 1993 ließ die DZT ein Gutachten zur Umstrukturierung erstellen. Kosten: 560.000 Mark. Drei Personen wurden in den Vorstand gewählt. Ein neues Marketingkonzept wurde zum Hoffnungsträger. „Doch passiert ist nichts. Die neue DZT ist gescheitert“, sagt die Grünen-Abgeordnete und Vorsitzende des Fremdenverkehrsausschusses im Bundestag, Halo Saibold. Andere nennen die DZT einen „Saustall, der ausgemistet werden müßte“.

Mitgliederverprellung

An der DZT-Diskussion wundert vor allem, daß die Mitglieder nicht auf die Barrikaden gehen. Zu ihnen zählen Hotels, Fluggesellschaften und der Deutsche Bäderverband. Ihr jährlicher Mindestbeitrag liegt bei 15.000 Mark. Doch ein dicker Batzen dieser Gelder muß für personalpolitische Fehlentscheidungen und Rangeleien innerhalb der DZT aufgewendet werden: Die Arbeitsgerichtsprozesse häufen sich. Mehrere Millionen Dollar sind bei Prozeßniederlage zu zahlen. Aber auch die zwei Millionen im Tourismus direkt und indirekt beschäftigten Deutschen sind darauf angewiesen, daß die DZT das Incoming-Geschäft ankurbelt. „Diese Beschäftigten“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Susanne Kastner, „zahlen rund 17 Millionen Mark Einkommenssteuer.“ Der Staatskasse würden durch ihre Umsätze und Gewinne weitere 72,6 Millionen Mark Steuern zugeführt.

Halo Saibold fordert nun, die DZT mit dem Deutschen Fremdenverkehrsverband (DFV) zusammenzulegen. Denn beide Organisationen haben den Auftrag, für Deutschland zu werben. „Dieses“, sagt Saibold, „kann unter einem Dach mit aufgeteilten Zuständigkeiten – für Inland und Ausland – wesentlich besser und sinnvoller durchgeführt werden.“ Um das Deutschlandbild im In- und Ausland nicht ganz der Wirtschaft zu überlassen, sollte die Finanzierung der Bundesregierung bei 60 Prozent liegen. Den Rest sollten Mitglieder – als Nutznießer der Werbetätigkeiten – leisten. „Die deutsche Tourismuswirtschaft“, so Saibold, „hat etwas Besseres verdient als die alte DZT.“ Tomas Niederberghaus