Zivilisten und Militärs – das ist kein Gegensatz

■ „Weil die Welt ist, wie sie ist“, müssen dem Frieden zuliebe Pazifisten und Bellizisten kooperieren: Resümee einer Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung

Köln (taz) – „Nach dem Ende des Kalten Krieges ist es nun nötig, die Schwarz-Weiß-Konfrontationen international und innergesellschaftlich zu beenden. Es gibt eine unglaubliche Chance auch zu einem innergesellschaftlichen Paradigmenwechsel.“ Dieter Wellershoff, Admiral a.D. und Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, ließ sich von niemand an klaren Worten übertreffen. Daß manche die Welt in böse Regierungen und mündige Bürger einteilten, gefiel ihm nicht, war er doch zur Tagung über „Zivile Konfliktlösung und Gewaltprävention“ gekommen, um „vereinfachende Vorurteile abzubauen“.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hatte Regierungsvertreter und Friedensgruppen eingeladen, um anläßlich des 50jährigen Bestehens der UNO Diagnosen zur sicherheitspolitischen Lage zu debattieren. Die UNO kam dabei schlecht weg. Selbst die von Generalsekretär Butros Ghali inspirierte „Agenda for Peace“, so hieß es, setze zu sehr auf traditionelle militärische Zwangsmittel, gebe keine Antworten auf innerstaatliche Konflikte und vernachlässige die zivile Konfliktprävention und -bearbeitung. Damit bleibe im Konfliktfall alles von politischen Opportunitäten abhängig, kritisierte Dr. Heike Spieker vom Institut für Friedenssicherungsrecht.

Dieter Wellershoff plädierte für einen neuen Sicherheitsbegriff, der von „falschen“ Alternativen zwischen ziviler und militärischer Sicherheitspolitik Abstand nehme. Letztere müsse nicht immer problemverschärfend wirken. Das Sicherheitsproblem habe sich in den Herausforderungen und der Zahl der Mitwirkenden vervielfältigt. „Jeder ist gefährdet, niemand findet Sicherheit für sich allein.“ Das „Interesse der Bundesrepublik an Welthandel und Rohstoffen“ findet Wellershoff, „kein Anhänger der Verteidigungspolitischen Richtlinien“, nicht verwerflich. Allerdings will er Gefahren mit gewaltlosen Mitteln begegnen, wenngleich „Streitkräfte wohl bleiben werden, weil die Welt ist, wie sie ist.“

Wie es scheint, weicht der Prinzipienstreit in der Friedensbewegung um Pazifismus versus Bellizismus differenzierteren Haltungen. Dr. Dieter Bricke sah zwar die Mehrheiten auf der Seite der sogenannten „realistischen Schule“, die sich um des Friedens willen weiter auf den Krieg vorbereitet. Bei Strafe des Untergangs jedoch bleibe eine neue globalistische Politik nötig. Vorrangig sei zivile Konfliktlösung im Sinne von Partnerschaft, doch auf Gewalt sei nicht ganz zu verzichten, derweil sie wohl in internationale Strukturen zu überführen wäre. NGOs müßten mit Regierungen zusammenarbeiten – sie sollten, statt „sich in der Idylle von Spezialfunktionen einzurichten, den globalen Zusammenhang der Probleme akzeptieren“.

Auch Professor Andreas Buro will, daß nicht nur die gesellschaftlichen Akteure „zivile Konfliktlösung“ auf ihre Tagesordnung setzen, sondern daß auch Regierung und Parlament „zivile Konfliktlösung“ als eigenständiges Konzept begreifen. Das Verhältnis zwischen zivilen und militärischen Mitteln sei zu klären, damit gesellschaftliche Gruppen nicht zu Hilfsarbeitern militärisch agierender Regierungen werden. Mit dem Aufbau eines zivilen Friedensdienstes bestehe ein Hebel, diese Politik zu verwirklichen.

Die praktischen Erfahrungen der Infostelle „Horn von Afrika“, der Peace Brigades International, des Balkan Peace Teams und der Ecumenial Monitoring Programme of South Africa zeigten, wie pragmatisch Friedensgruppen längst vorgehen, wie sehr sie aber auch auf humanitäre Hilfe und propagandistische und logistische Unterstützung für Konfliktvermittlung begrenzt bleiben. Gegenüber dem Mangel an politischen Strukturen zu einer zivilen Konfliktbewältigung bleiben sie bislang hilflos. Mechtild Jansen