Erdenschwere macht Sodbrennen

■ Pierwoß und Ensemble sind und haben es geschafft: Als letzte Inszenierung vor der Sommerpause serviert man Eduardo de Filippos "Die Kunst der Komödie". Leichte Kost, unkomisch

Nach dem bitteren Kloß „Peer Gynt“ verneigt sich das Bremer Theater mit einer Komödie zum großen Schlußapplaus. Auf die nordische Völlerei sollte ein leichtes Dessert folgen: Als Dolce wird Eduardo De Filippos „Die Kunst der Komödie“ gereicht. Doch auch das Nachspiel des üppigen Spielplans verursachte eher Sodbrennen als süßen Wohlgeschmack.

Grotesk-komisch beschreibt das Stück die Theaterkrise und läßt dabei sowohl Theaterschaffende wie Gönner und Verächter zu Worte kommen. Possenhaft und leichtfüßig erzählt De Filippo, mit einer dem italienischen Theater typischen Kuriositätenshow, von vernagelten Beamten und gebeutelten SchauspielerInnen. Pirandello war sein Zeitgenosse, Dario Fo sein Nachfolger.

Im schwarzen Raum hat der Bühnenbildner Andreas Bartsch im Schauspielhaus eine schwebende quadratische Spielfläche installiert. SchauspielerInnen sowie das frugale Interieur stehen beständig auf der Kippe, das Tableau neigt sich einmal dem Publikum zu, wendet sich ein anderes Mal von den ZuschauerInnen ab.

Der neue Präfekt (Detlev Greisner) in irgendeinem italienischen Dorf macht sich mit seinem Arbeitsplatz vertraut. Giacomo, gespielt von Sven Lehmann, geht ihm dabei dienstbar zur Hand wie einst Haussekretär Wurm in Schillers „Kabale und Liebe“. Nach anfänglichen, hölzernen Textproblemen spielen die beiden sich, und besonders Greisner gewinnt zunehmend an Format. Jovial und fröhlich empfängt er den Schauspieldirektor Campese (Andreas Herrmann) des ansässigen Theaters. Die gnädig gewährte Audienz eskaliert jedoch zu einem Desaster. Der kinkelnde Präfekt wird cholerisch, als er seine vorgebliche Theaterliebe unter Beweis stellen muß. Campeses Einladung zu einer Aufführung schlägt er wütend aus. Der Schauspieldirektor zieht beleidigt von dannen, doch zuvor droht er dem Präfekten, seine SchauspielerInnen, verkleidet als Honoratioren und ehrbare Bürger der Stadt, zu schicken.

Präfekt und Sekretär, beständig in der Angst schwebend, Schauspieler und wahrhaftige Bittsteller nicht auseinanderhalten zu können, werden hysterisch. Hinter jedem neuen Besucher, der die Kanzlei betritt, wittern sie eine billige Charge.

Und dabei gelingen dem Ensemble kleine Kabinettstückchen, die das Premierenpublikum mit Szenenapplaus honoriert. Da ist zum Beispiel der profilneurotische Amtsarzt Bassetti, dargestellt von Matthias Kleinert, dem die schwierige Gratwanderung zwischen ausgestellter Klamotte und echter Tragik witzig gelingt. Da gibt es einen wunderbaren Priester (Sebastian Dominik), dem der heilige Geist bereits unter der Mitra hervorquillt und sich schließlich als heißer Eßkastaniendampf entlarvt. Eine tragikomische Gestalt, die sich in ihrer Moral aufgerieben hat und ebenso wie der Präfekt, der langsam nicht mehr Herr der Dinge ist, an der Realität zerbröselt. Zwischenruf im Publikum: „Euler ins Theater.“

Richtig bunt geht es dann auf der Bühne zu, wenn die verhuschte Dorfschullehrerin Petrella (Margit Rogall) ihre Lebenstragödie abarbeitet.Ihr fällt es nicht leicht, die Schwere ihrer Figur auszuloten, von der auch der Zuschauer nicht ahnt, ob Tragödie oder Komödie gemeint ist.

Der einzige Tote in dem Stück (Hartmut Imkenberg) trägt die Farben der FDP. Sanft schließt die knattergrün gewandete Petrella ihm die Augen, und Präfekt und Sekretär irren orientierungslos zwischen verlorener Wahrheit und Verzweiflung hin und her. – Der Schluß bleibt offen.

Obgleich das Stück um den Prolog gekürzt worden ist, fehlt ihm die Rasanz italienischer Komik. Den von De Filippo im Prolog behaupteten Satz: „Denn im Theater ist die vollkommene Wirklichkeit die vollkommene Erfindung“, setzt die Inszenierung von Ursula Karusseit jedenfalls nicht um. Dazu bleibt das Spiel zu erdenschwer und kopflastig.

Das Publikum bedankte sich .

Stefan Schönfeld

Nächste Aufführung am 14.6., 20 Uhr, Theater am Goetheplatz