Die Schüler-Union hetzt gegen den Islam

■ Ein Flugblatt der CDU-nahen Schüler-Union in Neukölln bedient Ressentiments gegen Muslime / Rechte Gesinnung

Die Schüler des Neuköllner Albert-Einstein-Gymnasiums staunten nicht schlecht, als ihnen Mitte Mai geschniegelte Jungmänner vor dem Haupttor ein merkwürdiges Flugblatt in die Hände drückten. Weil „Armeen, Terrorkommandos und Attentäter“ islamischer Staaten Europa bedrohten, müßten 1996 zum „Schutz vor Giftgas Gasmasken“ getragen und in Berlin „ab sofort auf 478 Spielplätzen (...) Bunker errichtet“ werden.

Verantwortlich für die offenbar ironisch gemeinten Formulierungen zeichnete der Neuköllner Kreisverband der Berliner Schüler Union (BSU). Bei ihren Formulierungskünsten unter der Überschrift „Islamische Republik Deutschland“ griffen die Autoren der CDU-nahen Organisation tief ins schwarze Tintenfaß. Die „große Gefahr der Zukunft“ seien fundamentalistische Sekten und Religionen wie der Islam. Das Allheilmittel gegen das selbstgestrickte Horrorszenario lieferten die Schüler-Unionisten gleich mit: Fundamentalistischen Staaten und ihrer Aufrüstung müsse „mit allen Mitteln begegnet werden“.

Der BSU-Landesvorsitzende Roman Simon hält das Flugblatt für „außergewöhnlich und provokativ“. Nur so könne man heutzutage die „Apathie“ der Schüler durchbrechen. Daß die Formulierungen und Verallgemeinerungen Vorurteile gegen den Islam schüren, hält der 20jährige für abwegig. Ausländerfeindlichkeit sei nur zu begegnen, indem man „Problemfelder aufzeigt und den Rechten die Themen wegnimmt“. Die BSU zählt in Berlin nach eigenen Angaben rund 800 Schüler. Für viele ist die Organisation – die Mitgliedschaft erlischt mit der Vollendung des 21. Lebensjahres – nur Zwischenstation. Allein 14 Vertreter schickt die BSU bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten am 22. Oktober für die CDU ins Rennen.

Äußerungen wie im Flugblatt des Neuköllner Kreisverbandes sind in der BSU beileibe keine Ausnahme. In der Verbandszeitung Suspect werden seit geraumer Zeit straffere Schritte in der Ausländerpolitik gefordert: Gesonderter Unterricht für Kinder von Asylbewerbern, eine Ausländerquote von 20 Prozent an einsprachigen Schulen und die Abschiebung von straffällig gewordenen Jugendlichen. CDU-Rechtsaußen wie der Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer sind bei der BSU wohl gelitten. „Wahre Beifallsstürme“ löste vor zwei Jahren eine Rede des früheren Innensenators bei den Delegierten eines BSU-Landestages aus, vermerkte Suspect. Zustimmung erntete Lummer vor allem mit seinen Thesen von einer „Überfremdung“ der deutschen Gesellschaft.

Gemeinsame Sache machen die Schüler-Unionisten seit Jahren mit den Hardlinern unter den Abtreibungsgegnern. Suspect erschien gar mit einer mehrseitigen Farbbeilage der „Europäischen Ärtzeaktion“, die mit Fotos von abgetriebenen Föten bebildert war. Wo konservative und nationale Werte gefordert werden, ist die BSU stets zur Stelle. In den Schulen wollen die Schüler am liebsten das Pathos wieder aktivieren. Der Straffung der Stimmbänder gilt die vornehmliche Sorge: An den Grundschulen solle, so die BSU vor gut einem Jahr auf ihrem Landestag, die Nationalhymne und das Brandenburger Lied „Märkische Heide“ in die Rahmenpläne aufgenommen werden. Severin Weiland