■ Zwischen Hundesteuerstaat und Zitelmännchen machen
: Templins Hund packt aus

Interview mit dem Hund Joey (Bürgersteigbewegung), dessen Herrchen der DDR-Oppositionelle Wolfgang Templin (Bürgerbewegung) ist. Templin (46) legte sich nach der Wende heftig in die nationale Kurve. Er schreibt jetzt für die neurechte „Junge Freiheit“, unterschreibt „Berliner Appelle“, arbeitet im „Mauermuseum“ am Checkpoint Charlie und ist Vorstandschef der rechtskonversativen antistalinistischen Gedenkbibliothek. Die taz wollte wissen, wie Joey zu den neuen Aktivitäten seines Hundeführers steht.

taz: Joey, was bewegte einen Hund wie Sie, als die Berliner Mauer fiel?

Joey: Wir Hunde heben gern das Bein an Mauern. Also empfand ich wie jeder Hund beim Verschwinden jeder Mauer ein wenig Trauer. Aber den Untergang der „zweiten Diktatur auf deutschem Boden“, wie Wölfchen das nennt, habe ich selbstverständlich freudig verbellt – zumal ich bald die Vorzüge von Pal, Chappi, Latz, Frolic und anderen Westfuttern schätzen lernte.

Sie ziehen also eine positive Bilanz der Wiedervereinigung.

Klar. Denken Sie nur an die vielen schönen Scheißhaufen auf den Trottoirs im Westteil, Tierärzte auf internationalem Standard, riesige gepflegte Hundeauslaufgebiete im Grunewald. Andererseits ist es schon ein wenig bitter, daß wir, die wir die Freiheit erwarteten, schließlich den Hundesteuerstaat bekommen haben. Aber was soll's.

Hypothetische Frage: Was wären Sie lieber gewesen, Grenzhund auf dem Mauerstreifen oder Blindenhund bei Lutz Bertram, dem Ex-Kultmoderator des ORB und früheren Stasi-Spitzel?

Natürlich Grenzhund, der Todestreifen war doch damals der einzige Ort, an dem es keine Maulkörbe gab! Bei Lutz Bertram wäre ich ja nur die Nummer drei gewesen, der hatte ja schon seinen Führungsoffizier und seine Frau.

Macht Ihnen die Rechtswende Ihres Herrchens eigentlich Schwierigkeiten?

Nein. Wölfchen hat bislang niemals von mir verlangt, daß ich Zitelmännchen mache oder mit zur Urne gehe, wenn er heimlich CDU wählt. Allerdings schlagen mir die zunehmenden Avancen von deutschen Schäferhunden ziemlich aufs Gemüt. Kaum haben wir das Springerhochhaus verlassen, kommen die schon angehechelt. Aber deren Welt ist nun wirklich nicht die meine. Die stehen auf Hundesport, Beißmanschetten, Stachelhalsbänder.

Sind Sie jemals dem anderen Intellektuellenhund der taz begegnet? Ich meine Itzig, das Tier von Henryk M. Broder.

Bislang nicht, glücklicherweise. Was für ein armes, politisch korrektes Viech! Itzig! Und dann auch noch eine Palästinenserhündin! Aber den Tillmann aus der Medienredaktion, Tony von den Kleinanzeigen und Kalli, den Wahrheits-Hund sowie Jacko aus dem Inland habe ich mal kennenlernen dürfen. Wirkten etwas neurotisch, typische Produkte der totalitären 68er-Erziehung.

Ihr Herrchen warnt ja gern vor der „Hexenjagd auf Konservative und demokratische Rechte“. Mußten Sie ihn jemals physisch verteidigen?

Quatsch. Wölfchen übertreibt gern. Auch seine Klage, daß „Konkret seinen linken Gossenstil ungestraft ausbreiten dürfe“, fand ich etwas daneben. Für uns Hunde sind Gossen schließlich das Paradies schlechthin.

Würden Sie mit Wölfchen auch in den von ihm erwarteten „Bürgerkrieg“ ziehen?

Selbstverständlich. In diesem Fall bliebe ich „bei Fuß“. Die Zivilgesellschaft, die links-emanzipatorischen Gestaltungsabsichten haben ihre Grenzen – ich bin kein taktischer Pazifist. Interview: Hans-H. Kotte