Bewährungsprobe der WTO

Bei den US-japanischen Verhandlungen über Autos in Genf geben sich beide Seiten kompromißlos / Schlechte Karten für die USA  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die seit Januar existierende Welthandelsorganisation (WTO) steht vor ihrer ersten großen Bewährungsprobe. Seit gestern verhandeln in Genf Vertreter der USA und Japans über die von der Clinton-Regierung Anfang Mai angedrohten Sanktionen gegen japanische Autoimporte. Am 28. Juni will Washington 13 Luxusmodelle aus Nippon mit 100prozentigen Strafzöllen belegen – falls Tokio die Einfuhr von Autos und Autoteilen aus den USA und ihren Verkauf auf dem japanischen Markt nicht erleichtert. Die Regierung in Washington moniert Behinderungen beim Aufbau von Vertriebsnetzen für Fahrzeuge aus US-Produktion sowie nichttarifäre Restriktionen, worunter technische Standards und ähnliches zu verstehen sind. Sollten die USA ihre Strafzoll-Drohung umsetzen, ist ein Handelskrieg zwischen den beiden führenden Wirtschaftsmächten nicht auszuschließen. Er könnte sich schnell auf den Luftfrachtverkehr und andere Wirtschaftsgebiete ausdehnen, die zwischen Washington und Tokio umstritten sind.

Japan ist nicht bereit, über seine Einfuhrbestimmungen zu verhandeln, bevor die USA die Strafzoll- Drohung nicht zurückgenommen haben. Nippon sieht in der Drohung einen Verstoß gegen die WTO-Regeln über die Austragung und Beilegung von Handelskonflikten. Diese Einschätzung wird auch von EU-Staaten und anderen Industrieländern geteilt, die die US-Kritik an den japanischen Bestimmungen teilen.

Von den auf zwei Tage angesetzten Genfer Verhandlungen werden keine Fortschritte erwartet. Beide Seiten schickten nur niederrangige Vertreter. Kurz vor Verhandlungsbeginn erklärte der US-Handelsbeauftragte Mickey Kantor in Washington: „Wir werden nicht nachgeben. Wenn am 28. Juni keine Vereinbarung mit Japan vorliegt, werden die Sanktionen in Kraft gesetzt – ohne Wenn und Aber.“ Damit dürfte der Autostreit den G-7-Gipfel beschäftigen, der am Donnerstag im kanadischen Halifax beginnt. Auch von einem bereits für morgen angesetzten bilateralen Treffen zwischen US-Präsident Clinton und dem japanischen Regierungschef Murayama wird keine Deeskalation erwartet.

Sollten die USA Strafzölle verhängen, will Japan vor dem Schiedsgericht der WTO klagen. In Genf wird damit gerechnet, daß das Land sich damit durchsetzt. Denn anders als bei der Vorläuferorganisation Gatt erfordert eine Klage vor dem WTO-Schiedsgericht nicht den Konsens aller Mitgliedsstaaten, also auch die Zustimmung des beklagten Landes. Statt dessen bekommt der Kläger recht, wenn seine Klage nicht mit dem Konsens aller Staaten abgewiesen wird. Im Falle einer Verurteilung müßten die USA nicht nur ihre Strafzölle zurücknehmen, sondern auch Kompensationen an Japan für erlittene wirtschaftliche Verluste zahlen.

In der Genfer WTO-Zentrale wird mit Spannung erwartet, ob sich die Clinton-Regierung dem Urteil der multilateralen Organisation unterwirft oder auf dem Recht beharrt, entsprechend der nationalen Handelsgesetzgebung der USA unilaterale Sanktionen zu verhängen. Sollten sich die Vereinigten Staaten hierfür entscheiden, dann hätte die WTO ihre erste große Bewährungsprobe nicht bestanden.