Italiener wollen weiter bei Berlusconi zappen

■ Der ehemalige Regierungschef gewinnt den Mischmasch an Referenden

Rom (taz) – Zwölf Volksentscheide, ein neuer Rekord, waren am Sonntag von Italiens Wahlvolk zu bewältigen – mit Fragen, die die Zukunft des privaten und des öffentlichen Fernsehens und die Stellung der Gewerkschaften betrafen, die Ladenschlußzeiten und den Wahlmodus, Verbannungsmöglichkeiten für mutmaßliche Mafiosi und Aspekte des öffentlichen Dienstes. Das zu den Urnen gerufene Volk zeigte zweierlei: erstens, daß es immer weniger Lust zum Wählen hat – nur ganze 58 Prozent gaben ihre Stimme ab. Und zweitens, daß die meisten keineswegs auf Schwarzweiß getrimmt sind, sondern trotz der verwirrenden Vielfalt durchaus zu differenzieren verstehen.

Die politisch nachhaltigsten Referenden sind jene über das Fernsehen (vier), über die Gewerkschaften und über den Wahlmodus. Was den Mediensektor anging, so sprachen sich die Abstimmenden jeweils mehrheitlich, aber nicht überwältigend (56 Prozent) gegen eine Reduktion der Höchstzahl von Kanälen in einer Hand aus, gegen das Verbot von mehr als einer Werbeunterbrechung in Spielfilmen und schließlich auch gegen die Einschränkungen für Werbeagenturen, mehr als drei Sender mit den Spots großer Firmen beliefern zu dürfen. Der Staatsrundfunk RAI, dessen Überführung in eine Gesellschaft privaten Rechts sowieso bereits vorgesehen war, muß nach Mehrheitsmeinung auch außerstaatliche Gesellschafter akzeptieren, wobei die Zustimmung hierzu deutlich geringer ausfiel als bei den Fragen zum Privat-TV (52 Prozent).

Besorgte Gesichter zeigten die Gewerkschaftsbosse. Ihnen hat der Volksentscheid einen schweren wirtschaftlichen Schlag versetzt, weil von nun an die Arbeitgeber die Mitgliedsbeiträge für Arbeiterorganisationen nicht mehr vom Lohn abziehen und an die Syndikate abführen dürfen – die Bosse müssen nun den Beiträgen selbst hinterherlaufen. Nicht durchgegangen ist dagegen, allerdings mit knappster Marge, der Antrag, künftig kleine autonome Gewerkschaften den Großverbänden gleichzustellen; sie erhalten jedoch aufgrund eines weiteren Entscheids größere Betätigungsmöglichkeiten. Knapp zurückgewiesen wurde auch der Antrag, das geltende kommunale Wahlgesetz zu ändern – es hätte die Koalitionsmöglichkeiten der Parteien stark eingeschränkt. Und ebenfalls danebengegangen ist der Versuch großer Ladenbesitzer und Warenhäuser, die Ladenschlußzeiten künftig völlig freizugeben.

Die enttäuschten Promotoren der TV- Referenden lecken sich natürlich die Wunden und fragen sich, wieso die noch vor wenigen Monaten völlig klare Zustimmung zu ihren Vorschlägen nun ins Gegenteil umgeschlagen ist. Überwiegend wird dabei die aggressive Werbung fürs „Nein“ verantwortlich gemacht, die Berlusconis Sender, unbeeindruckt von gesetzlichen Mäßigungsvorschriften, über den Äther schickte. Tatsächlich scheint vielen Bürgern einerseits die von den privaten angedrohte Streichung von Spielfilmen in die Glieder gefahren zu sein. Doch mehr noch hat wohl gezählt, daß viele Italiener Berlusconis Imperium trotz mittlerweile negativer Einschätzung seines Schöpfers als eine Art nationale Institution ansehen, die man nicht einfach zerschlagen sollte – geschickt hatte Berlusconi selbst Gerüchte über einen Verkauf an unbekannte Ölscheichs gestreut. Überdies hat wohl auch die starke Zuspitzung auf die Person Berlusconis jenen mißfallen, die den Mann ansonsten nicht mögen – und so sind viele einfach nicht zur Abstimmung gegangen.

Trotz des klaren Votums in Sachen TV: Eindeutiger wird die Situation dennoch nicht. Denn vor zwei Monaten hat das Verfassungsgericht Italiens entschieden, daß die Verfügungsgewalt über mehr als eine Sendekette gegen die Verfassung verstoße. Berlusconi muß also so oder so die eine oder andere Kette abgeben; ihm bleibt nur ein kleiner politischer Erfolg, der nämlich, seinen Gegnern noch einmal eins ausgewischt zu haben. Werner Raith

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